Auf der Suche nach dem Leck
Sonderermittler nahm auch den Geheimdienst-Chef ins Visier!

Peter Marti befragte den ehemaligen Leiter des NDB, Jean-Philippe Gaudin, als Auskunftsperson. Worauf dieser flehte, dass ein Verfahren «sein Ende» wäre.
Publiziert: 29.01.2023 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 29.01.2023 um 14:23 Uhr
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Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Die vorläufige Bilanz von Peter Marti (72) ist eindrücklich: Tohuwabohu in Bundesbern, Misstrauen gegenüber Medien und Verwaltung, diverse offene Untersuchungen sowie ein geschasster Departementssprecher.

Der einstige Kommunikationschef des Gesundheitsdepartements, Peter Lauener (52), dürfte Martis bisher prominenteste Trophäe sein. Bekannt ist ferner, dass der Sonderermittler zwei Mitarbeiter des Aussendepartements der mutmasslichen Amtsgeheimnisverletzung beschuldigt. Bei beiden ging es um Indiskretionen im Zusammenhang mit der Crypto-Affäre.

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Tohuwabohu in Bundesbern: Sonderermittler Peter Marti.
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Die Einvernahme dauerte über vier Stunden

In dieser Angelegenheit kommt jetzt eine weitere Piste ans Tageslicht: Wie SonntagsBlick-Recherchen ergeben, hatte es Marti auch auf den ehemaligen Geheimdienstchef Jean-Philippe Gaudin (60) abgesehen.

Der Zweisternegeneral stand von 2018 bis 2021 dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) vor. Marti hatte ihn am 28. März 2021 in Zürich als Auskunftsperson einvernommen. Anlass der viereinhalbstündigen Vernehmung war ein klassifizierter Bericht der parlamentarischen Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) über manipulierte Chiffriergeräte, dessen Inhalte 2020 zum Teil vorab an die Medien gelangt waren.

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Marti war aufgefallen, dass der NDB in einem «NZZ»-Artikel vom Oktober 2020 zum Thema «eigentlich recht gut» weggekommen sei: «Weder der NDB als Organisationseinheit noch die nachrichtendienstliche Tätigkeit als solche werden grundsätzlich infrage gestellt.»

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«Wenn gegen mich ein Verfahren eröffnet würde, wäre das mein Ende.»
Ex-NDB-Chef Jean-Philippe Gaudin
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Was den Sonderermittler zu der «Arbeitshypothese» brachte, «dass es jemand vom NDB gewesen sein muss», der den Journalisten Passagen aus dem vertraulichen Berichtsentwurf weitergegeben haben musste.

Viola Amherd unvollständig informiert

Gaudin antwortet ihm, er könne sich nicht vorstellen, dass jemand aus dem NDB geplaudert habe.

Marti wiederum wähnt sich auf der Spur eines «Amtsgeheimnisverletzers» aus dem NDB, der «im Sinne eines guten ‹Impact-Controls›» gewollt habe, dass «der Spektakelwert des Primeurs» dazu führe, weder den NDB noch dessen nachrichtendienstliche Tätigkeit grundsätzlich infrage zu stellen.

Immer wieder pocht er im Verlauf des Gesprächs auf eine Standortbestimmung, die Gaudin zur Crypto-Affäre in Auftrag gegeben hatte und über die er VBS-Chefin Viola Amherd (60) offenbar nur unvollständig in Kenntnis gesetzt hatte. Gaudin räumt ein: «Ich habe vielleicht Frau Amherd nicht genügend informiert. Das war möglicherweise ein Fehler von mir.»

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«Ich weiss wirklich nichts»

Dennoch lässt Marti das Damoklesschwert weiter über Gaudin schweben. Er sehe sein Gegenüber nicht als Beschuldigten an, könne ihn «aber auch nicht als Beschuldigten ausschliessen», zumal der NDB-Chef «ja ein immenses Interesse daran haben» müsse, «mittels Steuerung von Informationen die Berichterstattung beeinflussen zu können». Gaudins «zögerliches Aussageverhalten» zwinge ihn «zu überlegen, ob ich gegen Sie ein Ermächtigungsverfahren einleiten muss, also geprüft werden muss, ob gegen Sie doch als Beschuldigter ein Verfahren wegen Amtsgeheimnisverletzung eingeleitet werden müsste». Worauf der Chefbeamte beteuert: «Wenn gegen mich ein Verfahren eröffnet würde, wäre das mein Ende. Ich weiss wirklich nichts.»

Von welchem Schlag dieser Sonderermittler ist, legen Berichte in den Tamedia-Zeitungen und im Blick nahe: Gegenüber Lauener stützte er sich auf den sogenannten Terrorartikel, indem er den Vorwurf eines versuchten «Angriffs auf die verfassungsmässige Ordnung» ins Spiel bringt. Grund: Der ehemalige Kommunikationschef von Bundespräsident Alain Berset (50) soll der Spitze des Ringier-Verlags, der auch den SonntagsBlick herausgibt, auf dem Höhepunkt der Pandemie vertrauliche Informationen über Corona-Massnahmen zugesteckt haben.

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Später kam es zur Kündigung

Sechseinhalb Wochen nach der Befragung durch Marti wurde Gaudin von der VBS-Vorsteherin entlassen. Mutmasslich wegen des Vertrags mit einem externen Berater, den er vor der Bundesrätin geheim gehalten hatte.

Wie das VBS gegenüber SonntagsBlick mitteilt, äussert man sich «nicht zu laufenden Untersuchungen». Zwischen der Einvernahme und der Kündigung bestehe kein Zusammenhang. Es gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung.

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