Ukrainerin muss vier Stunden täglich pendeln – trotz Festanstellung
Basel verbietet junger Mutter den Zuzug

Eine alleinerziehende Mutter aus der Ukraine, die bei der Basler Pharma eine Fixanstellung gefunden hat, darf nicht zuziehen. Der Kanton Basel-Stadt will sie weiterhin fast vier Stunden täglich pendeln lassen. Jetzt reagiert die Politik auf die Schmach von Basel.
Publiziert: 21.09.2022 um 12:20 Uhr
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Aktualisiert: 21.09.2022 um 17:51 Uhr

Der Bund stattet die Kantone grosszügig mit Pauschalen für die Unterbringung und die Integration der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aus. Als besonders wichtig erachtet es die Politik, dass die Geflohenen mit Schutzstatus S einer Erwerbstätigkeit nachgehen.

Von den 34'000 S-Satus-Flüchtlingen im arbeitsfähigen Alter hatten Ende August rund 11 Prozent einen Job. Das sind laut dem Justizdepartement doppelt so viele wie sonst bei den anerkannten Flüchtlingen und vorläufig aufgenommenen Personen. In absoluten Zahlen sind das aber nur 3670 Leute.

Weiterhin vier Stunden pendeln

Der Erfolg ist somit überschaubar. Daran sind die Kantone nicht unschuldig. Sie könnten sich mehr engagieren, damit Ukrainer zu Jobs kommen. Schliesslich ist es auch fürs Selbstwertgefühl der geflüchteten Frauen und Männer zentral, dass sie hierzulande eine Anstellung und damit eine Aufgabe finden, die ihnen eine Tagesstruktur und zwischenzeitliche Ablenkung von den Gräueln in ihrer Heimat bringt.

Eine Ukrainerin hat Arbeit in Basel gefunden.
Foto: AFP via Getty Images
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Umso störender sind Meldungen wie diejenige aus Basel-Stadt: Der links-grüne Kanton lässt eine alleinerziehende Mutter aus Oberkirch LU fast vier Stunden am Tag zur Arbeit und zurück pendeln. Zuziehen darf sie nicht. Dies, obwohl die Frau eine Festanstellung in der Pharma-Branche in Basel gefunden hat, wie CH Media berichtete.

Kantonsvertretern ists peinlich

Das Verhalten des Kantons löst schweizweit Kopfschütteln aus – und ist den Kantonsvertretern sichtlich peinlich. «Grundsätzlich kann es weder im Interesse des Kantons Basel-Stadt noch in jenem der Schutzsuchenden aus der Ukraine sein, wenn Müttern und Vätern mehrere Stunden Arbeitsweg zugemutet werden», findet die Grüne Basler Nationalrätin Sibel Arslan (42). «Ist jemand nicht auf Sozialhilfe angewiesen und seine wirtschaftliche Unabhängigkeit ist gewährleistet, sollte die Frau oder der Mann vereinfacht den Kanton wechseln können – in diesem Fall zu uns nach Basel-Stadt kommen dürfen.»

Ihr Basler SP-Ratskollege Mustafa Atici (52) sagt: Das Vorgehen von Basel-Stadt habe ihn überrascht, da man in seinem Kanton normalerweise sehr offen und hilfsbereit sei. «Angesichts des Fachkräftemangels und dem Willen, die Geflüchteten zu integrieren, ist dieses Vorgehen für mich unverständlich. Der Fall zeigt exemplarisch, dass hier etwas falsch läuft. Ich werde in dieser Sache tätig werden.»

Basler Regierung schweigt

Besonders beschämend für die Basler Kantonsregierung unter der Leitung von SP-Regierungspräsident Beat Jans (58) ist es, dass selbst der SVP-Präsident von Basel-Stadt, Pascal Messerli, nachfragt, ob das etwa vom Bund so vorgesehen oder «einfach ein unverständlicher Entscheid des Kantons» sei.

Jans, dessen Kantonsregierung von Messerli links überholt wird, möchte sich gegenüber Blick nicht äussern. Er verweist aufs kantonale Justizdepartement, das hier kompetent Auskunft geben könne. Dieses reagierte am Mittwoch mit einer Schilderung der rechtlichen Regelungen eines Kantonswechsels.

Pendeldistanz

Zudem konkretisiert das Departement unter der Leitung von Stephanie Eymann (43) die Zumutbarkeitsregeln fürs Pendeln: Für die Pendeldistanz gebe es keine starren Kriterien, vielmehr werde der Einzelfall «sorgfältig betrachtet». Grundsätzlich werde ein Arbeitsweg von etwa 90 Minuten als zumutbar erachtet.

Und: Basel-Stadt betont, dass der Kanton bereits mehr Personen mit Schutzstatus S aufgenommen habe, als er dies laut geltendem Verteilschlüssel tun muss. Man räumt also ein, dass durchaus Spielraum bestünde, Basel aber wenig gewillt ist, noch zusätzliche Kriegsflüchtlinge aufzunehmen.

Es besteht Hoffnung

Abgeschlossen ist der Fall noch nicht. Die aus Kiew stammende Mutter von zwei Söhnen, neun und vier Jahre alt, hat die Möglichkeit, beim Staatssekretariat für Migration (SEM) zu erklären, weshalb sie eben doch den Wechsel von Luzern nach Basel-Stadt vornehmen möchte. Käme Basel-Stadt auf den abschlägigen Entscheid zurück und zur Einsicht, dass nichts dagegen spricht, der jungen Mutter das Leben zu erleichtern, könnte das SEM den Entscheid noch kippen.

Laut Blick-Informationen versuchen verschiedene Personen hinter den Kulissen, die Basler Schmach abzuwenden und der Basler Regierung, aber auch der zweifachen Mutter, zu helfen. (pt)

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