«Covid-Impfung ist ein Parade-Beispiel, warum Tierversuche nicht nötig sind»
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Initiant Renato Werndli:«Covid-Impfung ist ein Parade-Beispiel, warum Tierversuche nicht nötig sind»

Renato Werndli ist der Kopf hinter der Tierversuchsverbots-Initiative
Radikal veganer Pragmatiker

Tierversuche sollen unter allen Umständen verboten werden. Das fordert der St. Galler Arzt Renato Werndli. Für ihn ist das Anliegen nichts anderes als konsequenter Veganismus. Geimpft ist er trotzdem. Ein Besuch bei einem Mann voller Widersprüche.
Publiziert: 06.01.2022 um 07:16 Uhr
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Aktualisiert: 06.01.2022 um 15:58 Uhr
Gianna Blum

Im Sprechzimmer in Zürich-Altstetten stehen eine Liege, ein Schreibtisch und zwei Stühle, die Wand ist mit den üblichen medizinischen Fachbüchern gefüllt. Auf den ersten Blick empfängt Renato Werndli (68) in einer ganz normalen Arztpraxis zum Gespräch. Abgesehen davon, dass auffällig viele Tierbilder die Wände zieren.

Doch diese Praxis ist nicht wie die anderen – es ist die erste vegane Arztpraxis der Schweiz. Werndli hat sie mitbegründet, einmal in der Woche hält er hier seine Sprechstunde ab. «Viele Ärzte nehmen vegane Ernährung nicht ernst», sagt Werndli. Habe ein Veganer gesundheitliche Probleme, heisse es schnell, die Ernährung sei schuld. Hier nicht.

Seit Jahren vegan – aus moralischen Gründen

Werndli selbst ernährt sich seit Jahren vegan. Aus moralischen Gründen, wie er betont. Und die Moral hört für ihn nicht beim «Fressen» auf: Der Arzt ist einer der Köpfe der Tierversuchsverbots-Initiative, die am 13. Februar zur Abstimmung kommt. Diese fordert, dass jegliche Tierversuche unter Strafe gestellt werden. Medikamente, die mit Hilfe von Tierversuchen neu entwickelt worden sind, dürfen nicht mehr importiert und gehandelt werden.

Renato Werndli in der veganen Arztpraxis in Zürich: Der St. Galler Hausarzt hat die erste Praxis ihrer Art mitbegründet und arbeitet nun Teilzeit mit.
Foto: Thomas Meier
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Die Initianten fordern ein radikales Umdenken. Dabei wirkt Werndli so gar nicht radikal. Der freundliche, feingliedrige Mann spricht mit leiser Stimme. Manchmal, wenn er den Faden verliert, lässt er Sätze unvollendet stehen. Wenn er nicht in der Praxis in Zürich arbeitet, ist er Hausarzt in einem Dorf im St. Galler Rheintal. Und dort ein ziemlicher Aussenseiter, wie er sagt. Zwei Mal hat er einen veganen Laden eröffnet, zwei Mal ist er gescheitert. «Das hat nicht rentiert.» Und selbst die vegane Praxis kommt nicht ganz ohne Tierprodukte aus – etwa wenn Gelatine in den Medikamenten ist. Werndli ist Pragmatiker, gezwungenermassen.

Er hat Angst vor Tieren

Was an seinen Überzeugungen nichts ändert. Den Schutz tierischen Lebens sieht Werndli als Aufgabe, seitdem er Medizin studierte. Dabei ist er nicht einmal besonders tierliebend. Er habe eher Angst vor ihnen: «Ich habe mein Leben lang kaum je ein Tier berührt.» Doch Tiere zu essen, sie für irgendeinen Zweck des Menschen zu nutzen, ist für ihn zutiefst unmoralisch. Eine Spezies darf eine andere nicht für ihre Zwecke einspannen – davon ist er überzeugt.

Damit steht er nicht allein da. Die Schweiz hat eines der strengsten Tierschutzgesetze weltweit, Versuche sind streng reguliert. Doch das reicht Werndli und seinen Mitstreiterinnen nicht – hier zeigt sich seine Radikalität wieder: Die Initiative will sogar Verhaltensforschung an Tieren verbieten. Auch Studien an Menschen, etwa um Nebenwirkungen von Medikamenten zu entdecken, wären tabu.

Seine Alternative: Medikamente würden bis zum Schluss quasi nur theoretisch entwickelt und dann direkt angewendet – an Menschen, die damit therapiert werden. Pharmaindustrie und Schweizer Universitäten sind sich einig, dass das für die Forschung eine Katastrophe wäre. Werndli lässt sich davon nicht beeindrucken. «Für die ist es einfacher, Forschungsgelder zu bekommen, wenn sie Tierversuche durchführen!» behauptet er.

Geimpft ist er – trotz Tierversuchen

Der St. Galler hat die Initiative nicht allein lanciert. Neben ihm sitzen auch eine Künstlerin und die Naturheilpraktikerin Luzia Osterwalder im Komitee. Osterwalder ist überzeugte Impfgegnerin und aktiv in der Skeptikerszene. Werndli macht klar, dass er deren Haltung nicht teilt – im Gegenteil: Er selbst sei geimpft, habe auch schon seinen Booster bekommen.

Wie geht das zusammen? Die Corona-Impfung wurde sowohl mit Hilfe von Tieren als auch klinischen Studien am Menschen entwickelt! Werndli zuckt mit den Schultern. «Wenn ich auf alles verzichten würde, für das Tierversuche gemacht wurden, könnte ich nicht einmal Wasser trinken», sagt er und fügt an, dass in manchen Kläranlagen Fische eingesetzt würden, um via Sonden an den Kiemen die Reinheit des Wassers zu testen.

Die Corona-Impfung selbst sei vegan, ergänzt er. Er ist überzeugt, dass die Entwicklung der Vakzine auch ohne Tierversuche möglich gewesen wäre – und zwar sogar in der Schweiz. Es brauche einfach «Zeit und akribische Forschung».

Das will die Tierversuchsverbots-Initiative

Die Volksinitiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot» fordert ein bedingungsloses Verbot für Tierversuche und Forschung am Menschen. Forschung an Tieren soll grundsätzlich als Tierquälerei definiert werden, mit den entsprechenden rechtlichen Konsequenzen. Auch Versuche, die dem Tier keine Schmerzen zufügen, wären tabu. Zudem will die Initiative ein Handels- und Importverbot sämtlicher Produkte, für die Tierversuche direkt oder indirekt durchgeführt werden. Bisherige Produkte sind davon ausgenommen, wenn inzwischen keine Tierversuche mehr notwendig sind.

Die Volksinitiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot» fordert ein bedingungsloses Verbot für Tierversuche und Forschung am Menschen. Forschung an Tieren soll grundsätzlich als Tierquälerei definiert werden, mit den entsprechenden rechtlichen Konsequenzen. Auch Versuche, die dem Tier keine Schmerzen zufügen, wären tabu. Zudem will die Initiative ein Handels- und Importverbot sämtlicher Produkte, für die Tierversuche direkt oder indirekt durchgeführt werden. Bisherige Produkte sind davon ausgenommen, wenn inzwischen keine Tierversuche mehr notwendig sind.

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Selbst der Tierschutz ist dagegen

Werndli macht sich aber keine Illusionen: Vor dem Volk wird seine Initiative einen schweren Stand haben. Eine Kampagne wird es nicht geben, «wir haben kein Geld». Im Parlament stimmte niemand zu, selbst dem Schweizer Tierschutz geht das Anliegen zu weit. Dabei ist vegane Lebensweise hoch im Kurs, das Thema emotional. Hätte sich mit ein bisschen Kompromissbereitschaft vielleicht etwas machen lassen?

Werndli runzelt verständnislos die Stirn. «Tiere sollten dem Menschen gleichgestellt sein», sagt er. Nicht besser. Aber auch nicht schlechter.
Wie da ein Kompromiss aussehen soll, ist ihm schleierhaft.

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