Chef fährt Porsche, Mitarbeiter leben im Zelt
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Belegschaft kaserniert im Büro:Post-Tochter steckt Vietnamesen in Zeltstädte

Post-Tochter in Vietnam kaserniert Angestellte wegen Corona
Chef fährt Porsche, Mitarbeiter leben im Zelt

65 vietnamesische Mitarbeitende der Post-Tochter SPS mussten monatelang im Büro zelten, damit die Firma ihre Dienste trotz Corona weiter anbieten konnte. Das hätten sie «freiwillig» gemacht, verteidigt sich der gelbe Riese. Doch daran sind Zweifel angebracht.
Publiziert: 29.10.2021 um 01:09 Uhr
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Aktualisiert: 29.10.2021 um 09:24 Uhr
Pascal Tischhauser

Die Post-Tochter Swiss Post Solutions (SPS) liess Mitarbeitende in Vietnam in leeren Büroräumen zelten, damit sie ihre Dienste trotz Corona weiterhin anbieten konnte. Wie Angestellte berichten, seien die hygienischen Zustände «schauderhaft» gewesen. Die Mitarbeitenden konnten ihre Familien während Monaten nicht sehen.

Der SPS-CEO Jörg Vollmer (54) behauptet hingegen: «Dem Management von SPS sind keine Beschwerden von Mitarbeitenden bekannt.» Im Gegenteil: Die Mitarbeitenden hätten sich stolz gezeigt, diesen freiwilligen Einsatz leisten zu dürfen.

Partyabteilung der Post

SPS ist hierzulande vor allem für ihre rauschenden Kaderfeste bekannt statt für die eigentliche Arbeit, das Einscannen und elektronische Versenden von Briefen und Dokumenten. Wie Blick publik gemacht hatte, organisierte SPS 2019 eine Luxusreise für über 100 Kadermitglieder in die südvietnamesische Metropole Ho-Chi-Minh-Stadt. Anfangs hatte SPS Blick angegeben, die Vietnamreise sei nicht teurer gewesen als vergleichbare Treffen in Europa. «Der Anlass fand in den Räumlichkeiten von SPS statt. Es gab kein üppiges Rahmenprogramm, sondern ein gemeinsames Essen», hiess es in der ersten Stellungnahme.

Firmen-Porsche-Fahrer und SPS-Chef Jörg Vollmer liess vietnamesische Mitarbeitende im Büro campieren.
Foto: zVg
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Nur: Das stimmte schlichtweg nicht. Die Kader hatten ein rauschendes Fest gefeiert – und zwar auf der Dachterrasse des Edel-Clubs Sohy. Aufgrund der Blick-Recherchen musste der gelbe Staatsbetrieb dann einräumen, dass die Tochter in Vietnam 200'000 Franken für den Ausflug und die opulente Party verbrannt hatte.

Zwei Jahre zuvor hatte es sich die SPS-Führungscrew im bündnerischen Flims im Viersternhotel Adula gut gehen lassen. Degustiert wurde aber nicht das Quellwasser aus der Region, mit dem das Haus unweit des Caumasees wirbt, sondern französische Weine der Cru-Klasse. Und bereits einen Monat nach dem 200'000-Franken-Trip trafen sich erneut fast 100 Kader-Leute in einem deutschen Ritterschloss. Kostenpunkt diesmal: bescheidene 40'000 Franken.

Börsengang abesagt

In Feierlaune war die Post-Tochter sicher auch wieder in den letzten Wochen. Der gelbe Riese hatte SPS nämlich an die Börse bringen wollen. Nur: Daraus wird nichts. Wie die Post gegenüber Blick bestätigt, hat sie einen «Börsengang von SPS» wieder «verworfen».

Laut Blick-Informationen will die Post SPS nun verkaufen – und zwar möglichst das gesamte Unternehmen und nicht nur Teile davon. Den Grund dafür deutete Konzernleiter Roberto Cirillo (50) vor Medienvertretern unlängst selbst an: Bei SPS bräuchte es hohe Investitionen, um das Unternehmen international konkurrenzfähig aufzustellen. Und diese Investitionen müssten nicht etwa in der Schweiz getätigt werden, sondern insbesondere in den USA und Asien. Die Post will ihr Kapital aber lieber anderweitig einsetzen.

Beispielsweise für protzige Dienstwagen, könnte man spotten. Wie die Post Blick-Informationen bestätigt, fährt SPS-Chef Vollmer als Firmenauto einen Porsche Cayenne. Allerdings einen E-Hybrid, wie man betont. Listenpreis für den Edel-SUV: Ab 116'200 Franken. Das Auto passt zum SPS-Lenker: Es gilt trotz Hybrid-Motor nicht eben als Sparwunder.

Postauto Cayenne

Wie die Post angibt, erfülle der Porsche aber alle Konzern-Vorgaben. «Dieses Fahrzeug ist durchaus vergleichbar mit anderen Fahrzeugen, die andere Konzernleitungsmitglieder fahren», hält die Presseabteilung fest. Laut Blick-Informationen lenken die übrigen Chefs aber weniger protzige Autos.

Laut Post-Vorschriften können sich Konzernleitungsmitglieder ein Fahrzeug aussuchen, das monatliche Gesamtkosten von 2500 Franken nicht überschreitet. In diesem Betrag inbegriffen sind alle Abschreibungen und Unterhaltskosten wie Benzin, Versicherung, Service und Pneus. Die Post betont, man habe die Limite bewusst etwas höher angesetzt, die Chefs auch «adäquate Elektrofahrzeuge wählen» könnten, die meist teurer sind.

Zu Kritik an SPS-Chef Vollmer führt auch, dass dessen Sohn bei Drake Business Services Asia arbeitet. Drake soll mit SPS zusammen ein Gemeinschaftsunternehmen führen. Der Vorwurf steht im Raum, Vater Jörg habe dem Sohn diesen Posten verschafft. Doch gibt es dieses Joint Venture wirklich? Denn davon war zwar auf der Drake-Website die Rede, doch nur, bis Blick sich mit seiner Anfrage an die Post richtete. Die entsprechenden Angaben sind inzwischen verschwunden.

Jörg Vollmer sagt dazu: «SPS hat keine Beteiligung an der Drake Business Services Asia und führt auch kein Joint Venture mit diesem Unternehmen.» Man habe keine Kenntnis davon, warum der Link auf die entsprechenden Angaben bei plötzlich nicht mehr funktioniere.

Vietnamesische Corona-Regel

Wie schon bei der 200'000-Franken-Luxusreise hinterlassen die Angaben von SPS auch jetzt wieder ein ungutes Gefühl – gerade was die Aktivitäten in Vietnam anbelangt.

Die Post bestätigt die Existenz der Zeltstadt für SPS-Mitarbeitende in zwei vietnamesischen Bürogebäuden, hat aber folgende Erklärung: Im Sommer hat Vietnams Regierung aufgrund der steigenden Coronazahlen einen harten Lockdown verhängt. Viele Firmen hätten ihre Geschäftstätigkeiten komplett einstellen müssen. Einzelne Betriebe hätten aber weiterproduzieren dürfen, wenn die Mitarbeitenden vor Ort arbeiten, essen und schlafen konnten.

SPS Vietnam hat deshalb Mitarbeitenden angeboten, «freiwillig» im Bürogebäude nicht nur zu arbeiten, sondern eben auch zu essen und schlafen. Sie seien dafür sogar mit einer zusätzlichen Entschädigung in der Höhe von fast einem halben Monatslohn belohnt worden. Es habe den Beschäftigten aber freigestanden, zum gewohnten Lohn im Homeoffice zu arbeiten. Nur bleibt fraglich, ob sämtliche Mitarbeitende zu Hause über die notwendigen Voraussetzungen verfügten, um ihrer Arbeit nachzugehen oder ob sie faktisch gezwungen waren, vom SPS-Angebot Gebrauch zu machen, um ihre Familien durchzubringen. Schon allein aus Gründen der IT-Sicherheit hätte ein Grossteil der Belegschaft nicht von zu Hause aus arbeiten können, sagen Kenner des SPS-Geschäfts.

Alles wird schöngeredet

SPS hatte sowohl am Hauptsitz in Ho-Chi-Minh-Stadt, dem früheren Saigon 40 Mitarbeitende in Zelten untergebracht wie auch rund 25 Leute in Can Tho. Die vietnamesische Regierung hatte die Regel am 15. Juli in Kraft gesetzt. Das Programm endet Ende Woche. Bei SPS sind die Zeltstädte etwa vor einer Woche abgebrochen worden.

Laut den vietnamesischen Vorschriften durften die Mitarbeitenden das Bürogebäude während der gesamten Zeit, also über mehrere Monate, nicht verlassen. Das war auch bei SPS so. Die Beschäftigten hatten zwar zwei Ruhetage die Woche, aber diese mussten sie genauso im Büro verbringen wie ihren Feierabend.

Auf Anfrage sagt die Post, am Hauptsitz in Ho-Chi-Minh-Stadt hätten den 40 Mitarbeitenden zwei Stockwerke zur Verfügung gestanden mit insgesamt 12 Duschen und 25 Toiletten. Jeder Mitarbeiter habe ein Einzelzelt gehabt. Man habe auch ein Programm für die Belegschaft mit virtuellen Meetings organisiert. Die Räumlichkeiten seien klimatisiert gewesen und täglich gereinigt worden. Auch Waschmaschinen, Kühlschränke, Mikrowellen und Wasserkocher hätten zur Verfügung gestanden. Essen und Getränke wurden geliefert.

Für die Freizeit während der tristen Monate im Büro hätten zwei grosse Flachbildschirmfernseher und einen Projektor, kostenloses WLAN, Tische zum Spielen sowie ein Ruhebereich mit Büchern und Balkonen zur Verfügung gestanden. Es habe Online-Karaoke, einen Schreibwettbewerb und Englisch-Kurse gegeben.

Cirillo wusste von nichts

Dieses angebliche Rundumwohlfühl-Programm deckt sich nicht mit den Angaben, die Blick aus dem Umfeld des gelben Riesen zugetragen wurden. Beispielsweise stimme es einfach nicht, dass es am Hauptsitz in Ho-Chi-Minh-Stadt derart viele Duschen vorhanden sind.

Wie die Post gegenüber Blick angibt, waren weder der CEO Roberto Cirillo noch der Verwaltungsrat über die Zeltstädte informiert.

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