Chef fährt Porsche, Mitarbeiter leben im Zelt
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Belegschaft kaserniert im Büro:Post-Tochter steckt Vietnamesen in Zeltstädte

Post-Angestellte in Vietnam mussten im Büro zelten
Sommaruga stellt Post zur Rede

SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga fordert Erklärungen, weshalb die Post-Tochter SPS Mitarbeitende monatelang in Zelten wohnen liess. Auch das Parlament wird aktiv: Bundesbetriebe sollen keine Arbeitsplätze mehr im Ausland haben, so eine brisante Forderung.
Publiziert: 30.10.2021 um 19:27 Uhr
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Aktualisiert: 30.10.2021 um 20:42 Uhr
Pascal Tischhauser

Jetzt schaltet sich Postministerin Simonetta Sommaruga (61) in die Zeltlager-Affäre ein. Die SP-Bundesrätin will wissen, wie es dazu kam, dass bei der Post-Tochter Swiss Post Solutions (SPS) insgesamt 65 Mitarbeitende an zwei vietnamesischen Firmenstandorten monatelang in Zelten im Büro hausten.

Ihr Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) sagt auf Anfrage, man habe aufgrund der Blick-Recherchen von den Vorgängen bei SPS erfahren und von der Post bereits erste Informationen eingefordert.

Das Uvek hält fest: «Die Verantwortung für die Arbeitsbedingungen liegt bei der Post. Der Bundesrat erwartet gemäss den strategisch Zielen von der Post, dass sie eine sozialverantwortliche Arbeitgeberin ist.»

Postministerin Simonetta Sommaruga will von der Post Klarheit darüber, wie es dazu kam, dass Mitarbeitende des Staatskonzerns in Zelten leben mussten.
Foto: Keystone
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Post muss rapportieren

Doch damit lässt es die Postministerin nicht bewenden: «Bundesrätin Sommaruga wird die Angelegenheit am nächsten Rapport mit der Post ansprechen», stellt ihr Departement klar. Mit anderen Worten: Es ist Feuer unter dem gelben Dach. Die Post-Leitung muss die Vorgänge in Vietnam überprüfen und Sommaruga beim nächsten Treffen eine nachvollziehbare Erklärung liefern, weshalb SPS unter der Leitung von Jörg Vollmer (54) mehr als fünf Dutzend Angestellte in Ho-Chi-Minh-Stadt und in der Stadt Can Tho monatelang festgesetzt hat und ob es nicht eine andere Lösung gegeben hätte. Die Massnahme war getroffen worden, damit die Mitarbeitenden während des Lockdowns weiter im Büro arbeiten konnten.

Und auch bei den Mitgliedern der für Verkehr und das Fernmeldewesen zuständigen Kommission des Nationalrats sind die Zeltlager Thema. Vizepräsident und SP-Politiker Jon Pult (37) verurteilt die Verhältnisse in Vietnam aufs Schärfste: «Dieses menschenunwürdige Gebaren ist inakzeptabel! Gerade ein Schweizer Staatskonzern darf unter keinen Umständen Mitarbeitende in Zeltlagern über Monate festhalten.»

«Eine Schande!»

Der Bündner Nationalrat ruft in Erinnerung: «Die Mehrheit unserer Stimmbevölkerung hat der Konzernverantwortungs-Initiative zugestimmt. Es gibt darüber hinaus einen Konsens, dass sich Schweizer Konzerne punkto Menschenrechte vorbildlich verhalten müssen – und dann das. Eine Schande!» Pult erwartet von der Post, dass sie die Vorgänge in Vietnam lückenlos aufklärt «und die Missstände sofort abstellt».

Ähnlich sieht das Kommissionspräsident Michael Töngi (54, Grüne): «Natürlich muss im Ausland nicht Schweizer Arbeitsrecht durchgesetzt werden, aber: Mindeststandards dürfen bei Menschen- und Arbeitnehmerrechten nie unterschritten werden. Das gilt ins insbesondere für staatsnahe Betriebe wie die Post.»

Auch Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (43) erwartet vom gelben Riesen, dass er aufräumt bei SPS: «Den Vorkommnissen in Vietnam muss die Post nun nachgehen.» Sie zeigten einmal mehr, dass staatsnahe Unternehmen sich aufs Inland konzentrieren und ihre Arbeitsplätze hierzulande anbieten sollten. «Diese Haltung setzt sich übrigens auch zunehmend im Parlament durch.»

Arbeitsplätze nur noch im Inland

Mit dem letzten Satz spricht Bregy wohl einen Antrag seines Fraktionskollegen Martin Candinas (41) an, den dieser eben erst in der Kommission eingebracht hat. Darin fordert er, dass der Bundesrat von der Swisscom verlangt, ihre Arbeitsplätze auf die Schweiz zu begrenzen. Die Kommission nahm den Antrag an. «Die Vorgänge in Vietnam sprechen dafür, auch der Post solche Vorgaben zu machen», sagt Candinas nun.

Für den Mitte-Politiker ist klar: «Mal etwas weniger Geld einzusparen, kann sich langfristig auszahlen. Es ist sinnvoller, statt Millionen in Imageförderung zu stecken, in hiesige Arbeitsplätze zu investieren.» Das stärke das Ansehen von Bundesbetrieben nachhaltiger.

Verantwortung liege bei SPS

Die Post schreibt Blick zur Zeltlager-Affäre derweil: Die Postführung erwarte, dass sich alle Bereiche und auch Tochterunternehmen an bestehende Vorgaben halten. Das gelte sowohl für Vorgaben in der Schweiz als auch für Vorgaben in anderen Ländern vor Ort. «Das gilt auch für SPS. Für die Geschäfte von SPS und damit auch für das Wohlergehen der Mitarbeitenden ist die Leitung von SPS verantwortlich», so der gelbe Riese.

Die Postführung habe aktuell keine Hinweise dafür, dass Vorgaben oder Gesetze missachtet worden wären. Lägen eindeutige Hinweise vor, prüfe die Post diese sorgfältig.


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