«Jeder Vollidiot hätte die Daten in die Finger bekommen können»
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Milieu-Beizer Roland Gisler:«Jeder Vollidiot hätte die Daten in die Finger bekommen können»

Plakate, Whatsapp-Nachrichten und Hausbesuche
So versuchte der Milieu-Beizer die Justiz zu erpressen

Das Datenleck der Zürcher Justizdirektion hatte schwerwiegende Folgen. Blick liegen Dokumente, Bilder und Chat-Verläufe vor, die zeigen, wie Milieu-Beizer Roland Gisler versucht hat, die Zürcher Justiz zu beeinflussen.
Publiziert: 05.12.2022 um 23:59 Uhr
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Aktualisiert: 06.12.2022 um 10:31 Uhr
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Nicola ImfeldTeamlead Wirtschaft-Desk

Wie schlampig die Zürcher Justizdirektion mit hochsensiblen Daten umgegangen ist, ist das eine. Dass das Departement von SP-Regierungsrätin Jacqueline Fehr (59) den Fall bis heute zu vertuschen versuchte, das andere. Die Affäre, die Blick vergangene Woche aufgedeckt hat, führt aber vor allem vor Augen, welches Risiko ein solches Datenleck birgt. Die Daten landeten bei Roland Gisler (58), einem mehrfach vorbestraften Mann aus dem Zürcher Milieu. Ihm gehört die Bar Neugasshof, die seit Jahrzehnten im Fokus der Polizei steht.

Pressekonferenz um 10 Uhr

Am Dienstagmorgen um 10 Uhr erklärt sich Justizdirektorin Jacqueline Fehr. Blick berichtet live.

Am Dienstagmorgen um 10 Uhr erklärt sich Justizdirektorin Jacqueline Fehr. Blick berichtet live.

Gisler versuchte, mit den Daten die Zürcher Justiz zu erpressen und zu beeinflussen, weshalb die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt. Der Milieu-Beizer ist eben erst unter anderem wegen Drogenhandels und illegalen Waffenbesitzes zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Er zog das Urteil ans Bundesgericht weiter, weil er es als Racheaktion der Zürcher Behörden wegen des Datenskandals ansieht.

Die Daten der Zürcher Justizdirektion landeten bei Roland Gisler (58), einem mehrfach vorbestraften Mann aus dem Zürcher Milieu.
Foto: Siggi Bucher
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Blick liegen zahlreiche Dokumente, Bilder und Chat-Verläufe vor, die zeigen, wie Gisler die Justiz zu beeinflussen versuchte. Er griff dabei auf die Wohnadressen und Telefonnummern von Staatsanwälten, Richtern und deren Familien zurück, die er mutmasslich auf den Festplatten der Zürcher Justizdirektion gefunden hatte.

Bild von getöteten Schafen an Ehefrau von Staatsanwalt geschickt

Besonders ins Visier nahm Gisler Staatsanwalt Felix K.*, der 2017 eine Strafuntersuchung gegen Gisler in einem anderen Fall führte. Von Mai bis November 2020 wurden K. und seine Ehefrau immer wieder telefonisch oder per Whatsapp von Gisler kontaktiert. In einem Chat-Verlauf, der Blick vorliegt, schrieb Gisler, dass er sich eine Wohnung neben der Familie mieten werde. Zuvor verschickte er ein Bild des Briefkastens der Familie, das er mutmasslich selber geschossen hatte.

Gisler schickte der Frau des Staatsanwalts Dokumente, die aus seiner Sicht zeigen sollten, was für ein schlechter Mensch ihr Mann doch sei. Am 28. November 2020 folgte ein vielsagendes Bild. Darauf zu sehen sind Schafe und der Text: «Wir machen einfach, was die sagen. Dann geht es schnell vorbei.» Gefolgt von den Worten «60 Minuten später» und einem Foto geschlachteter Schafe.

K. zeigte sich in einer Zeugenaussage am 6. Juli 2021 nicht überrascht über die Vorfälle, die Gegenstand eines aktuellen Strafverfahrens wegen Gewalt, Drohung und Erpressung sind. «Aus dem von mir geführten Verfahren gegen ihn wusste ich, dass Gisler schon oft privat Behördenmitglieder angegangen war, auch deren Kinder.»

Plakate aufgehängt und mit Demonstrationen gedroht

Auch auf den Zürcher Staatsanwalt Rudolf H.* hatte es Gisler abgesehen. Er suchte ihn ab Mai 2020 mehrfach an seinem privaten Wohnort auf und tätigte – laut der Zürcher Staatsanwaltschaft – Erkundigungen über H. in dessen privatem Umfeld. Im August soll Gisler eine Demonstration in der Wohngemeinde von H. angekündigt und ein Plakat mit Zeichnungen und wirren Aussagen im privaten Umfeld und bei H.s Arbeitsort aufgehängt haben.

Neben Staatsanwälten hat Gisler auch mehrere Richter ins Visier genommen. In einem Fall soll er Plakate an die private Wohnadresse geschickt und mit Demonstrationen gedroht haben. Ausserdem habe Gisler die Mutter des Richters angerufen.

Warum das Ganze?

Das Ziel von Roland Gisler sei laut der Zürcher Staatsanwaltschaft immer dasselbe gewesen: Er wollte das laufende Strafverfahren gegen ihn günstig beeinflussen. Dabei soll er immer wieder ins Feld geführt haben, dass er über umfangreiches Datenmaterial aus entsorgten Festplatten der Justizdirektion verfüge – doch die Drohung nahm offenbar lange niemand ernst.

Die Staatsanwaltschaft bezeichnet das Vorgehen «geradezu als mafiös». Es stelle «einen schwerwiegenden Fall von Beeinflussung der Justiz dar».

*Name der Redaktion bekannt

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