«Das ist unzumutbar für die Bevölkerung»
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Kantonsrat Roth gegen Playoffs:«Das ist unzumutbar für die Bevölkerung»

Neuer Fussball-Modus bereitet Sorgen
«Das gefährdet die öffentliche Sicherheit»

Mit einem neuen Modus will die Swiss Football League mehr Spannung im Schweizer Fussball schaffen. Sorgen bereitet das vor allem den Polizeikorps in den Kantonen. Alarm schlagen aber auch die SBB.
Publiziert: 23.06.2022 um 01:14 Uhr
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Aktualisiert: 07.06.2023 um 17:42 Uhr
Daniel Ballmer

Monatelang wehrten sich Fans gegen die Revolution im Schweizer Fussball – vergeblich. Ab der Saison 2023/24 stockt die Swiss Football League (SFL) die Super League von zehn auf zwölf Teams auf. Hinzu kommt: Nach einer Haupt- und Zwischenrunde sollen Meister und Absteiger neu in Playoffs bestimmt werden.

Sogar mit 14 Punkten Vorsprung müsste der FC Zürich dann nochmals um den Titel zittern. Für viele absurd! Die Liga aber erhofft sich so mehr Spannung, mehr Zuschauer – und auch mehr Einnahmen.

«Das geht zulasten der öffentlichen Sicherheit»

Doch nun kommt von neuer Seite Widerstand. «Der Playoff-Modus führt wohl dazu, dass die Paarungen bei vielen Spielen erst zwei Tage vorher bekannt sind», sagt SP-Politiker David Roth (37). Aus seiner Sicht ist das den Kantonspolizisten nicht zuzumuten. «Und es geht zulasten der öffentlichen Sicherheit, weil die Beamten dann an anderen Orten fehlen.»

Viele Fans, hier jene des FC Luzern, halten wenig vom neuen Fussball-Modus.
Foto: PIUS KOLLER
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Der ehemalige Juso-Chef findet: «Der Staat kann nicht alles stemmen, nur weil ein paar Klubs eine lustige Idee haben.» Mit Mitstreitern von Grünen bis FDP hat er daher im Luzerner Kantonsrat einen Vorstoss eingereicht. Ihre Forderung: Die Luzerner Regierung soll sich gegen Bewilligungen von Spielen aussprechen, wenn Teilnehmer und damit verbundene Risiken nicht mindestens zwei Wochen im Voraus bekannt sind. Zum Vergleich: Wer irgendeine Veranstaltung durchführen will, muss das Gesuch normalerweise vier bis sechs Wochen vor dem Termin stellen.

Auch die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) spricht von grossen Herausforderungen. «Wir waren uns mit den Ligavertretern einig, dass die Änderungen einen Mehraufwand im Sicherheitsbereich verursachen werden», sagt Generalsekretär Florian Düblin. So fänden nicht nur mehr Spiele statt. Der Playoff-Modus verspreche auch mehr Spannung, «und diese entlädt sich erfahrungsgemäss bei einem kleinen Teil der Anhängerschaft auf gewalttätige Weise».

So funktioniert der neue Playoff-Modus der Super League
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«Spannung bis zum Schluss»:So funktioniert der neue Playoff-Modus der Super League

«Das geht nicht!»

Der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause (51) stört sich zudem daran, vor vollendete Tatsachen gestellt worden zu sein. «Die Bewilligungsbehörden sind von der Liga in keiner Weise mit einbezogen worden», kritisiert er. «Wir haben das aus den Medien erfahren. Das geht nicht!» Dabei lasse der neue Modus einige Befürchtungen aufkommen: Man «produziere zusätzliche Finalissima-Spiele», die mit einem erheblichen Polizeiaufgebot verbunden seien. «Die Sicherheitskosten dürften markant steigen», so Nause. Und damit auch der Anteil, den die Klubs beitragen müssen.

Eine Belastung für die Polizeikorps

Es könne nicht sein, dass Kantone «aufgrund kommerziell geleiteter Entscheide von privaten Verbänden» regelmässig gezwungen seien, Polizeipersonal auf Vorrat zu planen oder kurzfristig andernorts abzuziehen, findet Roth. Die Kantone müssten hier Grenzen setzen. «Schliesslich haben die meisten Polizeikorps schon heute Überstunden-Probleme.»

Gelassener zeigen sich die Korps selbst. «28 zusätzliche Spiele bedeuten natürlich einen Mehraufwand, der aber zu bewältigen sein sollte», sagt Mark Burkhard, Präsident der kantonalen Polizeikommandanten. Ausserdem sei man sich Eventualplanungen gewohnt. Doch auch Burkhard gibt zu bedenken, dass die Belastung der Polizeikorps angesichts vieler Grossanlässe schon heute sehr gross sei. «Es ist nicht immer gleich einfach, die nötigen Aufgebote zu füllen.»

Das bestätigt Gewerkschafter Adrian Wüthrich (42). «Ein solcher Modus führt zu mehr Einsätzen. Das kann für Korps und die einzelnen Mitglieder durchaus zur Belastung werden», sagt der Präsident des Berner Polizeiverbands. «Ich würde eigentlich erwarten, dass die Liga gerade bei Hochrisiko-Spielen für Planungssicherheit sorgt.» Sprich, dass die Vorlaufzeit deutlich länger als 48 Stunden ist.

SBB warnen vor ungedeckten Kosten

Nicht nur die Polizeikorps sind vom neuen Liga-Modus betroffen. Sondern auch die SBB. «Wir erwarten rund 40 Prozent mehr Fan-Fahrten», so Sprecher Reto Schärli. Zusätzliche Züge seien nötig, begleitet von zusätzlichem Personal. Die Folge: Die SBB rechnen mit einer Erhöhung der ungedeckten Kosten um etwa zwei Millionen auf rund fünf Millionen Franken im Jahr. Berappen darf das der Steuerzahler.

Und auch hier schafft die kurzfristige Bekanntgabe der Spielpaarungen Probleme: «Das heisst, es muss auch kurzfristig abgeklärt werden, ob es Konflikte mit Extrazügen zu anderen Events oder mit geplanten Bahnbaustellen gibt», sagt Schärli. «Das bedeutet für die Planung eine grosse Herausforderung.»

«Das erfordert zusätzliche Anstrengungen aller Beteiligten»

Die Liga selber will den Ball flach halten: Man habe sich mit den Bewilligungsbehörden über den Einfluss der beschlossenen Modus-Änderungen auf die Sicherheit ausgetauscht, versichert Sprecher Philippe Guggisberg. «Das Mehr an Spielen wie auch der neue Spielmodus werden diesbezüglich zusätzliche Anstrengungen aller Beteiligten erfordern.» Der konkrete Handlungsbedarf werde in den nächsten Monaten geklärt.

So lange will SP-Politiker Roth nicht einfach abwarten: «Es kann nicht sein, dass private Veranstalter eine Sonderstellung in der Bewilligungspraxis erhalten und ihre eigenen Ansprüche über die Interessen der Gesellschaft stellen, die dann dafür aufkommen muss.» Seinen Vorstoss im Luzerner Kantonsrat will er nun an Parteikolleginnen und -kollegen aus anderen Parlamenten schicken. «Denn es betrifft ja fast alle Kantone.»

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