Nach Tamy-Gate: Politikerinnen von links bis rechts sind Zielscheibe von Hass
«Es wird gezielt auf die Frau gespielt»

Sie werden angegriffen und ihre Kinder sogar zur Zielscheibe: Politikerinnen erleben Hass besonders, weil sie Frauen sind. Und der Hass ist keine Frage von links oder rechts, wie SVP-Frau Martina Bircher anprangert.
Publiziert: 15.08.2019 um 16:55 Uhr
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Aktualisiert: 15.08.2019 um 17:28 Uhr
Ihr Sohn wird angefeindet, weil sie sich als Frau in der Politik exponiert: SVP-Nationalratskandidatin Martina Bircher.
Foto: Markus Kohler
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Cinzia Venafro

Sie sorgte mit ihrer Veganerblut-Aussage für die Polithäme des Sommers: Weil das Topmodel Tamy Glauser (34) deswegen so schlimm angefeindet wurde, zog die Bernerin ihre Nationalratskandidatur für die Grünen zurück.

Im Interview mit BLICK sagt die Lebenspartnerin von Ex-Miss-Schweiz Dominique Rinderknecht (30): «Ich war vor allem überrascht, wie aggressiv manche Reaktionen waren. Auf Social Media, aber auch im echten Leben. Ich wurde auf der Strasse verbal angegriffen und beleidigt, als «dumm» beschimpft. Die ersten drei Tage nach den Schlagzeilen habe ich mich kaum mehr aus dem Haus getraut. Das zehrte an mir. Viele schätzen mich als taffe Tamy ein, aber ich bin ein sehr sensibler Mensch, und die Sache ging mir wirklich nahe.»

Frauen, die sich politisch exponieren, werden immer wieder zur Zielscheibe von Hass: So ist Juso-Chefin Tamara Funiciello (29) eine der am meisten angefeindeten öffentlichen Personen der Schweiz.

«Je stärker die Frauenbewegung wird, desto mehr werden wir angefeindet. Das ist leider eine Entwicklung, die man weltweit beobachten kann», so Funiciello. «Frauen wie Tamy oder ich vereinen so viele Angriffspunkte, die Frauenhass auslösen. Die Leute wissen manchmal nicht mal mehr, wofür sie mich jetzt beschimpfen sollen.»

Und die heutige SVP-Regierungsrätin Natalie Rickli (42) war jahrelang Opfer verbaler Attacken – im Internet, auf der Strasse und sogar in einem Lied von fünf Rappern aus dem Umfeld der Berner Reitschule.

SVP-Bircher: «Meinen Sohn anzugreifen, ist unterste Schublade»

Auch SVP-Nationalratskandidatin und Aargauer Grossrätin Martina Bircher (35) politisiert trotz Hassnachrichten und Angriffen weiter. Mit ihrer Law-and-Order-Politik im Aarburger Sozialwesen hat sie sich schweizweit einen Namen gemacht. Doch seit sie vor einem Jahr Mutter geworden ist, wird Bircher nicht mehr nur auf einer politischen, sondern auch einer intimeren Ebene angegriffen. «Das kann ich nicht mehr so locker wegstecken, wie wenn es nur gegen meine Person geht», sagt sie.

Auf Social Media sei beispielsweise der Name ihres Sohnes James Henry zum Gespött geworden, erzählt Bircher. «Ich werde angemacht, weil ich ihn als SVP-Frau nicht Jakob oder Ueli genannt habe. Das ist wirklich absurd. Meinen Sohn anzugreifen, ist unterste Schublade.»

Bircher ist überzeugt: Ein Mann würde nie auf dieser Ebene angefeindet. «Ich höre auch immer wieder, dass ich doch als bürgerliche Frau hinter den Herd gehöre – und das vor allem aus dem linken Spektrum. Von wegen Toleranz!»

Es werde «ganz gezielt auf die Frau gespielt. Man wirft mir an den Kopf, eine herzlose und schlechte Mutter zu sein, und dass mein Sohn einem leid tun könne.» Besonders ihr Partner könne in solchen Momenten nicht mehr einfach weghören, sagt Bircher. 

Auf Social Media viele Personen blockiert

«Mein Mann ist dann auf 180, wenn unsere Familie angefeindet wird.» Bircher ist überzeugt: «Wäre ich ein Mann, würde es nicht heissen, dass ich kein Herz hätte», sagt sie.

Trotzdem will sich Bircher nicht unterkriegen lassen. «Ich habe auf Social Media ganz viele Personen blockiert, und auf der Strasse höre ich einfach nicht mehr hin, wenn mich jemand nur anfeinden will, statt mit mir zu diskutieren», sagt Bircher.

«Aber ich sage allen Frauen in der Politik – von links bis rechts: Steht eure Frau. Wir müssen stark sein. Wir provozieren leider auch, weil wir Frauen sind.» Wirklich vorbereiten könne man sich nicht auf Hass.

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