«Muss befürchten, dass es nur die Spitze des Eisbergs ist»
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Missbrauchsskandal:«Muss befürchten, dass es nur die Spitze des Eisbergs ist»

Nach Missbrauchs-Skandal
Politik nimmt die Kirchenmänner ins Gebet

Nachdem der Missbrauchs-Skandal in der katholischen Kirche bekanntgeworden ist, will die Politik handeln. Angesetzt werden soll gleich auf verschiedenen Ebenen.
Publiziert: 15.09.2023 um 00:05 Uhr
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Aktualisiert: 15.09.2023 um 13:58 Uhr

Der Skandal erschüttert die Schweiz. 1002 Mal sexueller Missbrauch. Hohe Dunkelziffer. Vernichtete Akten. Täter, die geschützt wurden. Eine neue Studie der Uni Zürich zeigt das erschreckende Ausmass des Missbrauchs in der katholischen Kirche seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Fälle reichen von Grenzüberschreitungen bis zu schwerstem, systematischem Missbrauch.

Auch die Politik reagierte erschüttert auf die Enthüllungen. Ihr Glaube daran, dass die Kirche nun schonungslos aufräumt, ist begrenzt. Nun reagiert sie mit einer ganzen Reihe politischer Forderungen.

Beim Strafgesetz will SVP-Nationalrat Mike Egger (31) ansetzen. Konkret: Sexueller Missbrauch bei Kindern und Jugendlichen soll unverjährbar werden. Denn von den über tausend dokumentierten Fällen betreffen rund drei Viertel minderjährige Opfer. Viele Fälle aber seien so lange vertuscht worden, dass sie mittlerweile verjährt sind und ungesühnt bleiben.

Die Spitze des Eisberges: Ein Team von Historikerinnen hat 1002 Fälle von sexuellem Missbrauch im Umfeld der katholischen Kirche dokumentiert.
Foto: Keystone
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Laut Strafgesetzbuch gilt heute die Unverjährbarkeit für sexuellen Missbrauch von Kindern unter 12 Jahren. Für 13- bis 18-Jährige gelten hingegen unterschiedliche Verjährungsfristen. Für Egger ist das «unbefriedigend, denn der Schutz von Minderjährigen gegen sexuelle Übergriffe muss grundsätzlich gestärkt werden». Er fordert den Bundesrat per Motion auf, die Bestimmung auch auf Opfer von bis zu 16 Jahren auszuweiten.

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«Auch die Politik hat zu wenig genau hingeschaut.»

FDP-Nationalrätin Doris Fiala (66) fordert die Ausweitung der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle: «Auch die Politik hat in der Vergangenheit zu wenig genau hingeschaut.» Teilweise hätten die politischen Verantwortlichen die Verfehlungen der Kirche vertuscht, ist sie überzeugt. «In der Pflicht sind insbesondere jene, die traditionell mit der katholischen Kirche eng verbunden sind.» Damit spricht sie unter anderem die Mitte-Partei an, die früher als CVP aufgetreten ist. Als Wahlkampf-Manöver will sie das aber nicht verstanden haben. «Ich kandidiere nicht mehr bei den kommenden Wahlen. Es geht mir um eine saubere Aufarbeitung.» 

Fiala hat nun einen Vorstoss mit verschiedenen Fragen eingereicht. Sie sieht diesen als ersten Anstoss für eine Aufarbeitung, die aber noch weitergehen soll: Für Fiala müssen auch finanzielle Entschädigungen für die Opfer geprüft werden. «Mich erinnern die Vorfälle an die Problematik der Verdingkinder.» Dort hat der Staat den Opfern eine Entschädigung von 25'000 Franken bezahlt. «Es wäre ein erstes Zeichen, auch wenn man ein solches Traumata nicht mit Geld heilen kann.»

Fiala selbst ist Mitglied der katholischen Kirche, auch wenn sie sich als Agnostikerin bezeichnet. «Ich habe mir schon einige Male überlegt, auszutreten.» Doch sie ist geblieben – und hält am kommenden Sonntag sogar eine Rede an einer ökumenischen Feier. Passenderweise zum Buss- und Bettag.

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Auch Unternehmen zahlen Kirchensteuer

Grünen-Nationalrätin Franziska Ryser (31) bei der Kirchensteuer ansetzen. Diese müssen auch die Firmen bezahlen – befreien kann man sich davon bislang nicht. Das will Ryser ändern. «Wenn beispielsweise ein Missbrauchsopfer eine Firma gegründet hat, ist es dann noch zu rechtfertigen, dass er der Kirche Steuern abliefern muss?», fragt sie. Sie will die Steuer aber nicht generell abschaffen. Einen solchen Vorstoss – damals noch vom heutigen SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi (44) – hatte der Bundesrat vor zehn Jahren bereits zurückgewiesen. Das sei Sache der Kantone, so die Antwort.

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