Gemeinsame Pensionierung muss warten
So trifft die AHV-Reform Paare

Bei Paaren ist der Mann meist älter als die Frau. Der Altersunterschied wirkt sich auf die Lebensplanung aus – gerade bei der Rente. Mit der AHV-Reform wird die Hürde zur gemeinsamen Pensionierung noch höher.
Publiziert: 27.08.2022 um 11:57 Uhr
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Aktualisiert: 27.08.2022 um 15:56 Uhr
Ruedi Studer

100 Mal läuten in der Schweiz die Hochzeitsglocken durchschnittlich jeden Tag. 36'410 Paare gaben sich letztes Jahr das Ja-Wort. Dabei zeigt die Statistik: Männer heiraten meist jüngere Frauen. Im Schnitt liegt der Altersunterschied bei zwei bis drei Jahren.

Ob mit oder ohne Trauring am Finger – drei Viertel der Bevölkerung zwischen 18 und 80 Jahren leben in einer Paarbeziehung, so der Familien-Bericht 2021 des Bundes. Dabei sind gut 60 Prozent der Männer mindestens zwei Jahre älter als die Frau. Bei drei von zehn Paaren sind sie ungefähr gleich alt. Nur bei 13 Prozent der Paare ist die Frau älter.

Paare wollen gemeinsam in Rente

Der Altersunterschied hat Einfluss auf die Lebensplanung. Erst recht, wenn es um die Pensionierung geht. «Die Rentenabfolge ist bei unseren Seminaren ein grosses Thema», sagt Lilo Steinmann (55) von der AvantAge, der Fachstelle Alter und Arbeit von Pro Senectute Kanton Bern und Zürich. «Die meisten Paare gehen möglichst gemeinsam oder nahe aufeinander in Rente, wenn sie es sich leisten können.»

Gemeinsam in die Rente starten, ist für viele Paare ein Ziel.
Foto: Keystone
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Das bedeute etwa, dass sich ein Partner früher pensionieren lasse oder länger arbeite. Je grösser der Altersunterschied sei, umso schwieriger werde es aber mit einer gleichzeitigen Pensionierung.

Mit der AHV-Reform würde die Hürde für eine gleichzeitige Pensionierung nochmals etwas höher. Wird nämlich das Rentenalter der Frau auf 65 erhöht, geht die «Lücke» bei der Rentenabfolge wegen des Altersunterschieds weiter auseinander. Dann muss das gemeinsame Hobby oder die geplante Weltreise noch etwas warten.

«Unnötiger Eingriff»

Ein Grund mehr, weshalb die Gewerkschaften Sturm laufen gegen die Reform. «Das höhere Frauenrentenalter ist ein unnötiger Eingriff in die Lebensplanung und hat für viele Paare weitreichende Folgen», sagt SGB-Zentralsekretärin Gabriela Medici (37). Wegen des Altersunterschieds werde der gemeinsame AHV-Bezug erschwert. «Sie müssen ein Jahr länger warten, bis auch die Frau ihre AHV-Rente vorbeziehen kann.»

In der Reform wird nämlich auch das Alter für den Vorbezug von 62 auf 63 Jahre erhöht. «Und dies unnötigerweise, weil die Frauen eine Frühpensionierung mit entsprechenden Rentenkürzungen ja selber berappen würden.»

Hinzu kommt der finanzielle Aspekt. «Ehepaaren geht mit der Erhöhung im Schnitt eine Jahresrente von 24'000 Franken verloren», moniert Medici. Und selbst wenn die Frau ein Jahr länger arbeiten und damit ein Jahr länger Lohn beziehen würden, hätten Verheiratete kaum etwas davon. «Aufgrund des Ehepaar-Plafonds erhalten viele für dieses weitere Jahr Arbeit keine höhere Rente.»

Flexibilisierung dank Teilrenten

Auch FDP-Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher (55, SG) beobachtet in ihrem Bekanntenkreis, «dass viele Paare am liebsten gemeinsam ins Pensionsalter starten». Der Altersunterschied sei einst wohl auch ein Grund für die Senkung des Frauenrentenalters gewesen, sinniert sie.

Kein Grund für sie, die AHV-Reform zu versenken. Denn diese sieht eine gewisse Flexibilisierung – etwa über Teilrenten – vor. «Diese Flexibilisierung ist für die Lebensplanung ein grosser Vorteil und gleicht den Nachteil des höheren Frauenrentenalters aus.»

So gebe es noch immer Möglichkeiten, die Pensionierung aufeinander abzustimmen. «Sei es, indem der Mann länger arbeitet oder sich die Frau früher pensionieren lässt», sagt Vincenz-Stauffacher. «Gerade tiefere Einkommen in der Übergangsgeneration profitieren auch finanziell davon.»

Auch, wenn ein Partner ein Jahr länger warten müsse als heute, sei dies kein Problem. «Eine gewisse Staffelung ist auch spannend und eröffnet neue Räume.» Und schmunzelnd fügt sie hinzu: «Den Traum der Weltreise kann man auch später noch realisieren.»

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