Gehässiger Kampf um die Rente
Bürgerliche werfen Gewerkschaften «Lügen» und «Märchen» vor

Das Stimmvolk entscheidet im Herbst über die AHV-Reform. Ein gehässiger Abstimmungskampf ist programmiert. Schon jetzt wirft Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel den Gewerkschaften eine «Lügenkampagne» vor.
Publiziert: 16.02.2022 um 00:25 Uhr
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Aktualisiert: 16.02.2022 um 06:36 Uhr
Ruedi Studer

Die Linke ist im Hoch. Nach dem Abstimmungserfolg bei der Stempelsteuer rüstet sie sich bereits für die Rentenschlacht im Herbst. Dann kommt die AHV-Reform vors Volk, gegen die ein vom Gewerkschaftsverband angeführtes Bündnis erfolgreich das Referendum ergriffen hat. Schon über 100'000 Unterschriften sind beisammen, wie Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard (53) im Blick sagte.

Das zeigt: Die Erhöhung des Frauenrentenalters von 64 auf 65 Jahre brennt den Leuten – insbesondere den Frauen – unter den Nägeln. Die Bürgerlichen sind also gewarnt, der Abstimmungskampf wird kein Spaziergang für sie.

«Ich bin schockiert»

«Wir müssen uns auf einen total harten Abstimmungskampf einstellen», sagt Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel (64) zu Blick. «Ich bin schockiert, wie die Lügenkampagne der Gewerkschaften jetzt schon losgeht, um die AHV-Reform zu bodigen.» Dabei verweist die Aargauerin auf den Referendumsbogen, auf welchem etwa von einer Rentenkürzung von jährlich 1200 Franken die Rede ist. «Das stimmt so einfach nicht», enerviert sich Humbel.

Der Abstimmungskampf um die AHV-Reform wird schon jetzt mit harten Bandagen geführt. Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel wirft den Gewerkschaften eine «Lügenkampagne» vor.
Foto: Keystone
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Tatsächlich ist die Rechnung ein Kniff: Die Gewerkschaften argumentieren, dass mit dem erhöhten Rentenalter für die Frauen eine ganze AHV-Jahresrente wegfällt – weil diese ja ein Jahr länger arbeiten. Umgerechnet auf die Lebenserwartung sind dies rund 1200 Franken jährlich.

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Humbel erinnert auch daran, dass Linke und Gewerkschaften bei der Altersvorsorge 2020 einer Erhöhung des Frauenrentenalters zugestimmt haben. «Umso verwerflicher ist ihre links-populistische Kampfrhetorik», findet sie.

Gemeinsam gegen links

Für sie ist klar: «Wir müssen uns auf bürgerlicher Seite schon überlegen, wie man diese Polemik kontert.» Es brauche sicher viel Aufklärungsaufwand, dann könne man auch gewinnen. Von den Gewerkschaften erwartet sie nämlich eine «geballte Ladung» im Abstimmungskampf, deshalb müssten sich die Bürgerlichen zu einer gemeinsamen Ja-Kampagne zusammenraufen.

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Immerhin versuchen die Bürgerlichen schon jetzt, ihre Basis auf ein Ja zur AHV-Reform einzuschwören. Bereits im Januar haben die Mitte-Delegierten die Ja-Parole gefasst, letzte Woche zogen die FDP-Delegierten nach.

«Märchen vom Rentenabbau»

FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt (27, ZH) ist bereits im Angriffsmodus: «Mit ihrem Märchen vom Rentenabbau sind die Gewerkschaften sehr akrobatisch unterwegs», sagt er. «Diese Drohkulisse wird nicht verfangen.» Er glaubt vielmehr, dass das Gleichstellungsargument – Rentenalter 65 für Männer und Frauen – auch linke Wähler von der Reform überzeugen wird. «Und wenn man schon von den Finanzen spricht, dann hat ein massiver AHV-Ausbau stattgefunden, weil die Leute länger leben.»

Die jetzige Reform sei ausgewogen und nur ein kleiner Schritt, sagt der FDP-Vizepräsident. Für ihn ist klar, dass danach ein weiterer folgen muss. So hat Silberschmidt die Volksinitiative der Jungfreisinnigen für ein höheres Rentenalter 66+ mitlanciert. «Es ist ein ehrlicher Vorschlag», findet er. «Die Frage ist doch: Will man ein Jahr länger arbeiten oder soll die Mehrwertsteuer auf 12 Prozent steigen, damit man die AHV noch finanzieren kann?»

Die AHV über Nationalbank-Gewinne zu finanzieren, wie das der Gewerkschaftsbund will, kommt für Silberschmidt nicht infrage. «Das Wohlergehen der AHV darf nicht von Gewinnen und Verlusten der Nationalbank abhängig gemacht werden», hält er dagegen. «Der Vorschlag ist ein reines Ablenkungsmanöver der Gewerkschaften.»

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