Frauen gehen auf die Barrikaden
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Gegen Vergewaltigung:Frauen gehen auf die Barrikaden

Gegen veralteten Vergewaltigungsbegriff
Frauen gehen auf die Barrikaden

Auch in Zukunft soll eine Vergewaltigung nur dann anerkannt sein, wenn das Opfer mit Gewalt zum Sex gezwungen wurde. So will es die Rechtskommission des Ständerats. Nun soll die Bevölkerung Druck machen.
Publiziert: 01.02.2021 um 16:37 Uhr
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Aktualisiert: 02.02.2021 um 21:45 Uhr
Geht es nach der Rechtskommission, soll eine Vergewaltigung wie bisher nur dann als eine solche gelten, wenn das Opfer sich gewehrt hat.
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Sermîn Faki

Wann ist eine Vergewaltigung eine Vergewaltigung? Nach geltendem Recht nur dann, wenn das Opfer mit physischer oder psychischer Gewalt zum Sex genötigt wird. Nein sagen reicht nicht. Und nicht Ja sagen schon gar nicht.

Und das soll auch so bleiben, wenn es nach der Rechtskommission des Ständerats geht. Zwar stellt die Kommission eine Ausweitung des Begriffs der Vergewaltigung zur Diskussion. Doch dabei geht es nur darum, dass nicht nur der Beischlaf an sich, sondern auch «beischlafähnliche» Handlungen unter den Begriff fallen. Zudem soll festgelegt werden, dass auch Männer Opfer von Vergewaltigungen werden können, wie die Subkommission unter SP-Ständerat Daniel Jositsch (55, ZH) vorschlug.

Linke Frauen gehen auf die Barrikaden

Doch die umfassende Neudefinition der Vergewaltigung ist kein Thema – just in der Woche, in der sich die Einführung des Frauenstimmrechts zum 50. Mal jährt. Und obwohl 22 Strafrechtsprofessoren vor eineinhalb Jahren gefordert hatten, dass nur Ja zum Sex auch Ja heisse und alles andere Vergewaltigung sei. So, wie es etwa in Schweden seit knapp drei Jahren gilt.

Die Verweigerung treibt linke Frauen auf die Barrikaden. «Fehlende Zustimmung muss endlich als Vergewaltigungstatbestand im Strafgesetzbuch anerkannt werden, wie es in immer mehr europäischen Ländern der Fall ist», so die grüne Ständerätin Lisa Mazzone (33, GE). Sonst werde eine überholte Definition von Vergewaltigung zementiert. Es brauche jetzt eine zeitgemässe Reform.

Ganz ähnlich reagieren die SP Frauen. «Der Gesetzesentwurf ist schlicht und einfach ungenügend», so Co-Präsidentin Tamara Funiciello (30, BE). «In den meisten Fällen müssen Täter oder Täterinnen ihr Gegenüber nicht zum Geschlechtsverkehr zwingen», erklärt sie. Opfer gerieten oft in eine Art Schockzustand und könnten sich nicht wehren. Das würden die Täter ausnutzen.

Rechtskommission hatte Bedenken

Kommissionspräsident Beat Rieder (57, VS) sieht es anders: «Die Zustimmungslösung könnte grosse Probleme verursachen, namentlich bei der Unschuldsvermutung, weil sie eine eigentliche Beweislastumkehr vorsieht», sagt er. Diese Fragen seien bis jetzt in der Rechtslehre und Rechtsprechung zu wenig vertieft worden. Daher habe man darauf verzichtet, die Zustimmungslösung vorzuschlagen.

Aber: «Um bestimmte Straftaten dennoch nicht ungesühnt zu lassen, schlagen wir vor, den neuen Straftatbestand des sexuellen Übergriffs zu schaffen, der die Zustimmung beachtet.» Demnach könnte mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe bestraft werden, wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von ihr vornehmen lässt.

«Es braucht jetzt Druck»

Das sei eine billige Ausrede, findet Funiciello. Ob eine Vergewaltigung vorliegt oder nicht, sei eine schwierig zu beantwortende Frage – «egal, ob diese lautet, ob sich das Opfer gewehrt hat oder ob es keine Zustimmung zum Sex gegeben hat. Die übergeordnete Frage, die sich der Gesetzgeber stellen muss, lautet: Sollte Sex nicht auf dem Einverständnis der Partner beruhen? Wer das bejaht, muss für die Zustimmungslösung sein.»

Die SP Frauen starten darum eine Kampagne, um den Vergewaltigungsbegriff doch noch zu schärfen. Unter anderem rufen sie öffentlich dazu auf, sich an der Vernehmlassung zum Gesetz zu beteiligen und bieten gar vorformulierte Briefe an. «Es braucht jetzt den Druck aus der Bevölkerung, damit die Schweiz nicht wieder eines der letzten Länder ist, die zeitgemässe Gesetze einführen.»

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