«Führungslose Zeit» hat Folgen
Dicke Luft beim Nachrichtendienst

«Personelle Unsicherheiten» haben 2021 die Tätigkeiten des Nachrichtendienst des Bundes (NDB) «übersteuert». Zu diesem Schluss kommt die unabhängigen Aufsichtsbehörde über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten (AB-ND) in ihrem Jahresbericht.
Publiziert: 31.03.2022 um 09:59 Uhr

Seit dem brüsken Abgang von NDB-Chef Jean-Phillippe Gaudin Ende August 2021 leitete Vizedirektor Jürg Bühler die Behörde. Der neue Chef Christian Dussey tritt sein Amt am Freitag an. Wie die AB-ND in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Jahresbericht festhält, wendeten sich im vergangenen Jahr vermehrt Mitarbeitende des NDB an das Aufsichtsgremium.

Dabei stellte die Behörde fest, dass der Direktionswechsel und die lange Übergangszeit bis zum Eintritt des neuen Chefs den NDB belasteten. Hinzu kamen unzufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese Belastung führte zu höheren Risiken in den nachrichtendienstlichen Tätigkeiten.

Aufsicht erkennt Verbesserungen

Von den insgesamt 18 Überprüfungen im Jahr 2021 betrafen 17 den NDB. Die Aufsichtsbehörde wertet die gesunkene Zahl der von ihr ausgesprochenen Empfehlungen als Indiz, dass die bestehenden Risiken bei den nachrichtendienstlichen Tätigkeiten beseitigt oder zumindest verringert wurden.

Nachrichtendienst-Chef Jean-Philippe Gaudin musste letztes Jahr seinen Sessel räumen. Verteidigungsministerin Viola Amherd hat ihm gekündigt.
Foto: Keystone
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Die Verstösse bei der Cyber-Abwehr des NDB sind der AB-ND seit Mai 2021 bekannt. Die eingeleitete externe Administrativuntersuchung hält sie für ausreichend. Insbesondere die Klärung der strafrechtlichen Folgen beobachtet sie aber weiter. In einer eigenen Prüfung sieht sie indessen keinen Mehrwert.

Das Verteidigungsdepartement leitete im Januar eine externe Untersuchung ein. Alt Bundesrichter Niklaus Oberholzer leitet sie. Zudem läuft eine NDB-interne Ermittlung.

Informationsbeschaffung immer wieder heikel

Gemäss öffentlichem Kenntnisstand hatte der NDB bei Ermittlungen zu Cyberangriffen zwischen 2015 und 2020 Informationen ohne die vorgeschriebene Genehmigung durch das Bundesverwaltungsgericht beschafft. Betroffen waren ausländische Angreifer.

Bei der Informationsbeschaffung über den gewalttätigen Rechtsextremismus befindet sich der Nachrichtendienst auf einer Gratwanderung, attestieren ihm die Aufseher. Den viel geäusserten Vorwurf, der NDB sei «auf dem rechten Auge blind», weisen sie indessen zurück.

Der Nachrichtendienst darf sich keine Informationen über Betätigungen im Rahmen der politischen Betätigung aufgrund der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit beschaffen. Die Unterscheidung zwischen erlaubten und gewünschten Erkenntnissen sei in diesem Themenbereich schwierig, attestiert die Aufsicht dem NDB.

Gemäss Gesetz müssen beschaffte, aber nicht erlaubte Informationen anonymisiert werden. Das mache den NDB-Mitarbeitenden Schwierigkeiten, befindet die AB-ND.

Bezüglich der Spionage im Ausland hebt die Aufsicht den Schutz der Informanten und Eingesetzten hervor, da diese auch in Ländern ohne Rechtsstaat operieren. Dabei legte sie das Augenmerk 2021 auf Auslandeinsätze des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten und des Bundesamts für Polizei.

Das Risikomanagement sei hier vorhanden, sollte aber verstärkt werden. Die Steuerung der Auslandeinsätze sollte beim NDB zentralisiert werden, rät sie. (SDA)

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