Wegen Corona und Ukraine
Schweiz lieferte so viele Infos an andere Geheimdienste wie nie

Zwischen den Geheimdiensten liefen die Drähte letztes Jahr heiss. Grund dafür war etwa die Corona-Krise, ebenso warf der Ukraine-Krieg seine Schatten voraus. Die Schweiz lieferte so viele Meldungen wie nie zuvor.
Publiziert: 21.03.2022 um 15:00 Uhr
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Aktualisiert: 22.03.2022 um 08:50 Uhr
Ruedi Studer

Den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat zwar kaum jemand erwartet, doch düstere Schatten lagen schon länger über dem Konflikt. «An seiner Westgrenze will Russland gegenüber der Nato und der EU den Einfluss zurückgewinnen, der mit dem Zerfall der Sowjetunion verloren ging», hielt der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) in seinem letztjährigen Jahresbericht fest.

Verteidigungsministerin Viola Amherd (59) machte gleichenorts klar: «Weil die internationale Sicherheitslage unberechenbarer geworden ist, müssen wir der Sicherheitspolitik und dem ganzen Spektrum an Bedrohungen und Gefahren grössere Beachtung schenken.»

20'000 Meldungen

Der russische Angriffskrieg steht derzeit weit oben auf der Prioritätenliste des Geheimdienstes. «Der NDB verfolgt die Lageentwicklung in der Ukraine und allfällige Konsequenzen auf die Schweiz intensiv und gemäss seinem gesetzlichen Auftrag», so NDB-Sprecherin Lea Rappo gegenüber Blick. Zu den detaillierteren Einschätzungen und Szenarien äussert sie sich aber nicht. Diese würden in «klassifizierte Berichte» einfliessen. Sprich: Sie sind geheim.

Die Corona-Krise und der Ukraine-Krieg beschäftigen den Schweizer Geheimdienst, der Verteidigungsministerin Viola Amherd untersteht.
Foto: Keystone
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Nicht nur der Bundesrat erhält Informationen vom Geheimdienst, auch mit über 100 ausländischen Partnerdiensten steht der NDB in regem Austausch. Letztes Jahr erreichte der Informationsaustausch ein neues Rekordniveau, wie Rappo bestätigt: «Der NDB erhielt 2021 rund 13'500 Meldungen von ausländischen Partnerdiensten, an ausländische Partnerdienste gingen seitens NDB rund 6500 Meldungen.»

20'000 Meldungen gingen also hin und her. Während die Zahl der erhaltenen Meldungen in etwa gleich blieb, hat die Schweiz so viel ins Ausland geliefert wie nie zuvor.

Corona, Ukraine, Cyberattacken

Über die konkreten Gründe schweigt sich der Geheimdienst aus. Befeuert haben dürften den Anstieg aber einerseits die Corona-Krise, andererseits auch der Ukraine-Konflikt. Der Kriegsausbruch selbst ist in den jüngsten Zahlen noch nicht einmal berücksichtigt – für das laufende Jahr ist also ein weiterer Anstieg denkbar. Auch Cyberattacken, ebenfalls ein Schwerpunktgebiet des NDB, könnten angesichts des Krieges verstärkt zum Thema werden.

Mit dem Meldungsanstieg geht ein weiterer Aufwuchs beim Schweizer Geheimdienst einher, dessen Leitung mit Christian Dussey ab April ein neuer NDB-Direktor übernimmt. Letztes Jahr zählte der NDB rund 375 Vollzeitstellen – bis 2023 ist ein Ausbau auf 400 Stellen geplant. Für dieses Jahr sind Ausgaben für Aufwand und Investitionen von 109 Millionen Franken budgetiert – rund 10 Prozent mehr als im Vorjahr.

15 Millionen davon gehen an die Kantone zur Finanzierung ihre kantonalen Staatsschutz-Stellen. Die Kantone Zürich (2,2 Millionen), Genf (2 Millionen) und Bern (1,8 Millionen) erhalten dabei die höchste Unterstützung.

Das Wachstum des Geheimdienstes beschäftigt auch das Parlament. Der für die Oberaufsicht zuständige Geschäftsprüfungsdelegation macht die «kontinuierliche Zunahme» der Anzahl der vom Bundesrat genehmigten Partnerdienste Sorgen. In diesem Jahr soll der Bundesrat die Liste der Auslandkontakte deshalb grundlegend überprüfen, so die Forderung.

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