Frontex-Abstimmung entzweit Europa-Freunde
Liberos legen sich mit Linken an

Das Frontex-Referendum, über das die Schweiz am 15. Mai abstimmt, macht aus Partnern Gegner. Die Operation Libero sagt Ja zu Frontex. Und stösst die Linke damit vor den Kopf.
Publiziert: 30.03.2022 um 19:06 Uhr
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Aktualisiert: 30.03.2022 um 21:57 Uhr
Lea Hartmann

Zwei pinke Buchstaben sorgen bei den Linken für rote Köpfe. Ein grosses «Ja» steht auf dem Plakat, das die Operation Libero am Dienstag enthüllt hat. Die liberale Kampagnenorganisation kämpft dafür, dass die Schweiz am 15. Mai Ja sagt zu mehr Geld für die EU-Grenzschutzagentur Frontex. Ein Ja zu Frontex sei ein Ja zu Menschenrechten und zu Europa, so die Botschaft der Operation Libero.

Linke Parteien, die bisher Seite an Seite mit den Liberos Abstimmungskämpfe geführt haben, sind schockiert. Juso-Präsidentin Ronja Jansen (27) wirft der Organisation vor, ihre Werte zu verraten. Demokratie-Aktivist Daniel Graf (49), der sich ebenfalls für das Referendum engagiert, bezeichnet die Kampagne der Operation Libero als «irreführend» und «verletzend».

Libero-Ja sei «ein Hohn»

«Es ist ein Hohn zu behaupten, dass ein Ja zur Vorlage die Menschenrechte stärkt», sagt er. Aus Sicht der Linken ist genau das Gegenteil der Fall. Das Argument der Frontex-Gegner ist, dass die Schweiz mit einem Nein ein Zeichen gegen die aus ihrer Sicht menschenverachtende und menschenrechtsverletzende Flüchtlingspolitik an den EU-Aussengrenzen setzen muss. Erst kürzlich wurde bekannt, dass die Frontex-Spitze offenbar über illegale Zurückweisungen von Asylsuchenden an der Grenze – sogenannte Pushbacks – Bescheid gewusst und diese vertuscht haben soll.

Die Operation Libero unter Co-Präsidentin Sanija Ameti kämpft für ein Ja zu Frontex.
Foto: keystone-sda.ch
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Auch die Operation Libero verurteilt dies. «Wir haben klipp und klar festgehalten, dass Frontex für eine menschenverachtende Flüchtlingspolitik steht», sagt Co-Präsidentin Sanija Ameti (29). Doch am 15. Mai Nein zu sagen, zeuge nicht von gemeinsamer europäischer Verantwortung. Für die Operation Libero sei klar, dass eine Ablehnung den Ausschluss der Schweiz aus dem Schengenraum zur Folge hätte. Eine Konsequenz, vor der auch der Bundesrat und die bürgerlichen Parteien warnen.

«Natürlich ist das ungemütlich»

«Wir helfen keinem einzigen Flüchtling, wenn wir aus Schengen automatisch rausschlittern», sagt Ameti. Die Operation Libero sei deshalb für ein «kritisches Ja» zur Vorlage. Grosse Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen hätten das Referendum nicht explizit unterstützt, argumentiert die Co-Präsidentin. Im Gegensatz zu ihnen wolle man sich aber nicht einfach der Stimme enthalten. «Natürlich ist das ungemütlich», sagt sie mit Blick auf die linken Kritiker. «Aber als Bewegung ist es unsere Aufgabe, auch unangenehme Positionen einzunehmen – besonders in Europafragen.»

Allerdings bekommt die Europakoalition zwischen der Operation Libero und den Linken mit dem Frontex-Knatsch Risse. Vergangenen Herbst haben die «Liberos» mit den Grünen für eine Europa-Initiative zusammengespannt, deren Inhalt bislang noch unklar ist. Funktioniert diese Kooperation, wenn man offensichtlich so unterschiedliche Vorstellungen hat?

Zwei Lager, zwei Visionen?

Ameti sagt, man habe mit den Grünen bereits vergangenes Jahr besprochen, dass man in der Frontex-Abstimmung unterschiedliche Meinungen vertreten werde. «Das ändert an der Zusammenarbeit bei der Europa-Initiative nichts.»

Etwas anders klingt das allerdings bei den Grünen. Julia Küng (21), Co-Präsidentin der Jungen Grünen, äussert gewisse Skepsis. «Es ist jetzt wohl der Zeitpunkt, um noch einmal zusammenzusitzen und zu schauen, ob man wirklich die gleiche Vision für Europa hat», sagt sie. «In unserer haben Menschenrechtsverletzungen keinen Platz.»

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