Frauen machen Politik mit dem Portemonnaie
Shoppen, nicht nur abstimmen

Frauen sind in der Politik noch immer untervertreten: Sie stellen weniger Mitglieder im Parlament und stimmen seltener ab. Doch für Frauen hört Politik nicht an der Urne auf, sondern bestimmt auch den Alltag.
Publiziert: 03.02.2021 um 01:24 Uhr
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Aktualisiert: 31.03.2022 um 16:51 Uhr
Sermîn Faki

50 Jahre hatten sie Zeit – und noch immer sitzen weniger Frauen als Männer in Parlamenten und Regierungen, stimmen weniger Frauen als Männer ab. Dabei sind sie eigentlich in der Mehrheit: 53 Prozent der Schweizer Stimmbevölkerung sind weiblich. Zwar sind seit den Wahlen 2019 42 Prozent der Stühle im Nationalrat von Frauen besetzt – doch zuvor war es nur knapp ein Drittel. Im Ständerat (26 Prozent) und in den Kantonsparlamenten (29 Prozent) sieht es noch schlechter aus.

Was ist da los? Haben Frauen keine Lust auf Politik? Ganz so einfach ist es nicht. So haben Frauen immer noch mehr Schwierigkeiten, in ein politisches Amt gewählt zu werden – und auch bei der Stimmbeteiligung zeigt der genaue Blick ein weniger eindeutiges Bild (siehe Boxen).

Politik beim Einkaufen

Zudem gibt es eine Form von politischer Beteiligung, bei der Frauen den Männern deutlich voraus sind: beim Shoppen. Nun ist Geldausgeben nicht zwingend politisch – kann es aber sein. Die Politikwissenschaft spricht von politischem Konsum und meint damit, dass jemand Produkte aus politischen Gründen kauft oder eben boykottiert.

Die politische Beteiligung von Frauen ist geringer als die der Männer. So besetzen Frauen nur 42 Prozent der Nationalratssitze.
Foto: Keystone
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Und das tun Frauen wesentlich häufiger als Männer, wie Politologin Deborah Kalte (32) sagt, die am Zentrum für Demokratieforschung in Aarau den politischen Konsum in der Schweiz untersucht hat. «Frauen entscheiden sich deutlich häufiger aus ethischen, sozialen oder ökologischen Motiven für oder gegen ein Produkt», sagt sie.

Warum ist das so? Wie Kalte und Studienleiterin Birte Gundelach herausgefunden haben, liegt es auch an gewissen Persönlichkeitsmerkmalen. «Frauen haben viel von dem, was die Wissenschaft Verträglichkeit nennt», so Kalte. «Sie sind besonders kooperativ und haben viel Einfühlungsvermögen. Unsere Studie zeigt, dass dies einen Einfluss auf den politischen Konsum hat.»

Politischer Konsum wird wichtiger

Doch aufgepasst: Nicht jeder Kauf ist politisch! Bioprodukte kann man auch kaufen, weil man überzeugt ist, dass diese gesünder sind. Palmölprodukte vermeiden, weil man den Geschmack dieses Fettes nicht mag.

Politisch wird so ein Kauf oder ein Boykott erst, wenn man damit etwas bewegen will: Beispielsweise indem man seine Konsumentenmacht ausnützt und mit dem Erwerb eines Elektroautos die Hersteller dazu bringen will, nicht mehr auf Verbrennungsmotoren zu setzen. Oder die Politik mit dem Kauf von Bioprodukten ermutigen will, diese mehr zu fördern.

Wie Kalte sagt, handle es sich bei politischem Konsum aber nur um eine Ergänzung und keinen Ersatz für die traditionellen Formen von politischer Beteiligung. Doch Daten aus EU-Staaten zeigten, dass dieser zunehmend an Bedeutung gewinne. Schweizer Frauen, die erst seit 50 Jahren politisch mitbestimmen dürfen, sind hier also für einmal Trendsetterinnen.

Das hält Frauen vom Politisieren ab

Noch immer sind Frauen in Parlamenten und Regierungen eine Minderheit. Die Gründe dafür sind vielfältig. Erstens werden Frauen vor allem in den bürgerlichen Parteien seltener gewählt – auch weil sie auf schlechteren Listenplätzen kandidieren.

Zweitens haben Frauen schlicht weniger Zeit für eine politische Laufbahn – weil sie neben dem Job auch den Haushalt schmeissen und sich sozial engagieren – und zwar deutlich häufiger als Männer. «Die schweizerische Milizpolitik ist sehr traditionell ausgerichtet, etwa mit all den Sitzungen am frühen Abend», sagt Politologin Sarah Bütikofer (44). Das passe für viele Frauen nicht.

Männer, die nicht an Frauen denken

Doch ist es überhaupt wichtig, dass Frauen gleich stark vertreten sind wie Männer? Das sei umstritten, sagt die Politikwissenschaftlerin Julia Rickenbacher (27). Wichtig sei, dass Frauen überhaupt von Frauen repräsentiert würden. Es gebe Lebenserfahrungen, die nur oder in einer anderen Form von Frauen erlebt würden – Schwangerschaft und Geburt zum Beispiel, aber auch sexuelle Belästigung. Damit die Politik sich dieser Themen annehme, sei es zwingend, dass Frauen mitentscheiden – und Aspekte zur Sprache bringen können, an die Männer nicht denken.

Das unterstreicht auch Bütikofer: «Die Welt ist in vielen Bereichen von Männern für Männer gemacht – einfach weil man nicht an die Frauen dachte, da auch keine dabei war, als Entscheidungen getroffen wurden.» Sie verdeutlicht das mit einem unpolitischen Beispiel: Die Erkenntnis, dass der weibliche Körper bei manchen Krankheiten eine andere Behandlung benötigt als der männliche, sei von Ärztinnen und Forscherinnen vorangetrieben worden.

Frauen überholen Männer

Ein politisches Amt auszuüben, ist das eine – in der Schweizer Demokratie aber nicht so wichtig wie die Teilnahme an Abstimmungen. Auch das tun Frauen seltener. Jedenfalls wenn man den Durchschnitt anschaut. Allerdings: Die Stimmbeteiligung ist vor allem bei älteren Frauen tief – jenen, die noch vor den 1960er-Jahren geboren wurden. Bei späteren Jahrgängen verwischt dieser Unterschied zunehmend.

Und junge Frauen gehen gar häufiger zur Urne als junge Männer. Einen Rekord gab es wohl am Abstimmungssonntag vom 29. November 2020: Bei den unter 40-Jährigen gingen doppelt so viele Frauen wie Männer an die Urne.

Noch immer sind Frauen in Parlamenten und Regierungen eine Minderheit. Die Gründe dafür sind vielfältig. Erstens werden Frauen vor allem in den bürgerlichen Parteien seltener gewählt – auch weil sie auf schlechteren Listenplätzen kandidieren.

Zweitens haben Frauen schlicht weniger Zeit für eine politische Laufbahn – weil sie neben dem Job auch den Haushalt schmeissen und sich sozial engagieren – und zwar deutlich häufiger als Männer. «Die schweizerische Milizpolitik ist sehr traditionell ausgerichtet, etwa mit all den Sitzungen am frühen Abend», sagt Politologin Sarah Bütikofer (44). Das passe für viele Frauen nicht.

Männer, die nicht an Frauen denken

Doch ist es überhaupt wichtig, dass Frauen gleich stark vertreten sind wie Männer? Das sei umstritten, sagt die Politikwissenschaftlerin Julia Rickenbacher (27). Wichtig sei, dass Frauen überhaupt von Frauen repräsentiert würden. Es gebe Lebenserfahrungen, die nur oder in einer anderen Form von Frauen erlebt würden – Schwangerschaft und Geburt zum Beispiel, aber auch sexuelle Belästigung. Damit die Politik sich dieser Themen annehme, sei es zwingend, dass Frauen mitentscheiden – und Aspekte zur Sprache bringen können, an die Männer nicht denken.

Das unterstreicht auch Bütikofer: «Die Welt ist in vielen Bereichen von Männern für Männer gemacht – einfach weil man nicht an die Frauen dachte, da auch keine dabei war, als Entscheidungen getroffen wurden.» Sie verdeutlicht das mit einem unpolitischen Beispiel: Die Erkenntnis, dass der weibliche Körper bei manchen Krankheiten eine andere Behandlung benötigt als der männliche, sei von Ärztinnen und Forscherinnen vorangetrieben worden.

Frauen überholen Männer

Ein politisches Amt auszuüben, ist das eine – in der Schweizer Demokratie aber nicht so wichtig wie die Teilnahme an Abstimmungen. Auch das tun Frauen seltener. Jedenfalls wenn man den Durchschnitt anschaut. Allerdings: Die Stimmbeteiligung ist vor allem bei älteren Frauen tief – jenen, die noch vor den 1960er-Jahren geboren wurden. Bei späteren Jahrgängen verwischt dieser Unterschied zunehmend.

Und junge Frauen gehen gar häufiger zur Urne als junge Männer. Einen Rekord gab es wohl am Abstimmungssonntag vom 29. November 2020: Bei den unter 40-Jährigen gingen doppelt so viele Frauen wie Männer an die Urne.

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