Fatih Birol, der mächtigste Energiemanager der Welt, lobbyiert für AKWs
«Das grosse Comeback der Atomkraft hat begonnen»

Das Streben nach weniger CO2-Emissionen gibt der Atomkraft neuen Schub. «Wir sehen eine grosse Nuklear-Welle kommen», sagt Fatih Birol, Direktor der Internationalen Energieagentur.
Publiziert: 20.01.2024 um 15:47 Uhr
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Aktualisiert: 20.01.2024 um 16:01 Uhr

Das Aus der Atomkraft in der Schweiz – es steht infrage. In wenigen Wochen reichen Nuklear-Befürworterinnen und -Befürworter die Volksinitiative «Blackout stoppen» ein, die das Neubauverbot von Atomkraftwerken wieder aus der Verfassung kippen will. Dass die nötigen 100'000 Unterschriften dafür zusammen sind, hatten die Initianten vor einigen Wochen bekannt gegeben. 

Die politische Diskussion in der Schweiz spiegelt einen weltweiten Trend. «Das grosse Comeback der Atomkraft hat begonnen», sagt Fatih Birol, Chef der Internationalen Energie-Agentur. «Wir sehen eine grosse Nuklear-Welle kommen.»

Blick hat den Türken am Rande des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos getroffen. Birols Einschätzungen haben Strahlkraft, er gilt in seiner Funktion als mächtigster Energiemanager der Welt. Die IEA mit Sitz in Paris berät die 31 Mitgliedsstaaten in energiepolitischen Fragen, auch die Schweiz gehört dazu. Das britische «Time Magazine» hat Birol 2021 auf die Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten gesetzt. 

Fatih Birol ist Direktor der Internationalen Energie-Agentur mit Sitz in Paris und ist in dieser Funktion der mächtigste Energiemanager der Welt.
Foto: AFP
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Das grösste Problem: Wer zahlts?

In Japan, Korea, China, Indien, Kanada, den USA, aber auch vielen europäischen Staaten wie Frankreich oder Schweden setze man wieder vermehrt auf Atomkraft, zählt Birol auf. Er hält die Nuklearenergie für unverzichtbar, um das Klima-Ziel von netto null CO2-Emissionen zu erreichen. Atomkraft leiste zudem einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit. In den kommenden Jahren wird der Strombedarf markant steigen – Stichwort Elektroautos oder Wärmepumpen. 

Der Knackpunkt bei der Atomkraft ist und bleibt aber die Finanzierung. In der Schweiz sehen selbst die AKW-Betreiber in der Nuklearenergie keine Zukunft, jedenfalls nicht kurz- und mittelfristig. 

«Der politische Widerstand gegen die Kernkraft ist noch immer vorhanden, aber viel weniger als früher», so Birol. «Die öffentliche Meinung verschiebt sich zugunsten der Atomkraft.» Das Abfallproblem sei zwar ein Problem und werde auch eins bleiben, doch dies könne leicht gelöst werden. Die grösste Herausforderung sei, Finanzierungswege für den Neubau von Kernkraftwerken zu finden, sagt der IEA-Chef.

22 Länder wollen Atomkraft pushen

In China beispielsweise finanziere der Staat die AKWs. Eine Möglichkeit sei auch, dass der Staat Anreize schaffe für private Investoren. Da die Nuklearenergie die Versorgungssicherheit eines Landes erhöhe, sei die staatliche Unterstützung gerechtfertigt, findet Birol. 

Derzeit stammt rund zehn Prozent der global produzierten Energie von AKW. In den nächsten Jahren wird der Anteil steigen. An der Klimakonferenz vergangenen Dezember in Dubai haben 22 Staaten eine Absichtserklärung zum Ausbau der Atomenergie unterzeichnet. Bis 2050 sollen die Kapazitäten im Vergleich zu 2020 verdreifacht werden. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem Frankreich, Grossbritannien, Schweden, Finnland, Polen, die USA und Japan.

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