Empörung über Riesengewinne von Shell, BP und Co
«Mich stört, wenn sich Konzerne an Krisen eine goldene Nase verdienen»

Ölmultis schreiben Rekordgewinne – wir zahlen für Benzin und Gas immer mehr. Jetzt fordert der Uno-Generalsekretär eine Sondersteuer. Auch Schweizer Politiker unterstützen das.
Publiziert: 05.08.2022 um 01:26 Uhr
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Aktualisiert: 05.08.2022 um 09:06 Uhr
Öl-Multis verdienen sich derzeit eine goldene Nase, während die Preise für die Konsumenten steigen und steigen. Im Bild eine BP-Tankstelle in Aarau.
Foto: Thomas Meier
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Sermîn Faki und Thomas Müller

Während die einen sterben, füllen sich die anderen die Taschen. Es tönt furchtbar zynisch, aber es ist wahr: Der Krieg in der Ukraine führt dazu, dass Rohstoffkonzerne Traumgewinne schreiben. So Exxon: Der US-Ölkonzern verbuchte im zweiten Quartal dieses Jahres einen Gewinn von 17,9 Milliarden Dollar, 13 Milliarden mehr als in der Vorjahresperiode. So BP: Der britische Ölmulti schrieb 9,3 Milliarden Dollar, dreimal mehr als vor einem Jahr.

So auch Glencore: Der Zuger Rohstoffhändler hat im ersten Halbjahr 2022 einen Gewinn von 12,1 Milliarden Dollar gemacht – das Zehnfache des letzten Jahres. Grund dafür sind Rekordpreise für Kohle und der aussergewöhnlich gut laufende Handel mit Energieprodukten. Und so dürfen sich Glencore-Aktionäre über eine schöne Sonderdividende freuen, während Mieter und Hauseigentümer auf der ganzen Welt ein Sparpolster anlegen, um die Heizkosten zu bezahlen.

«Mehr Geld als Gott»

Die Kriegsgewinne stossen weltweit auf Empörung. So kritisierte US-Präsident Joe Biden (79), dass Exxon und andere Multis «mehr Geld als Gott» verdienen würden. Auch Uno-Generalsekretär António Guterres (73) bezeichnete sie am Mittwoch als «unmoralisch».

Er fordert daher Regierungen dazu auf, diese übermässigen Krisengewinne zu besteuern und mit den Einnahmen die am stärksten gefährdeten Menschen zu unterstützen. Man solle eine klare Botschaft an die Erdölbranche und ihre Geldgeber senden, dass ihre Gier die ärmsten Menschen bestrafe und den Planeten zerstöre.

Grüne planen Resolution

Angesichts der Halbjahreszahlen der Ölmultis entbrennt die Diskussion über eine solche Krisengewinnsteuer, auch Windfall Tax genannt, nun auch in der Schweiz. «An der kommenden Delegiertenversammlung Ende August werden wir eine Resolution zum Thema verabschieden und fordern, dass die Schweiz eine solche Windfall Tax einführt», sagt Florian Irminger, Generalsekretär der Schweizer Grünen.

Während der Corona-Krise seien die Pharmakonzerne Krisengewinnler gewesen, jetzt sind es die Ölmultis. «Die Kosten, die entstehen – etwa für Wirtschaftshilfen, aber auch die Aufnahme von Flüchtlingen und den Wiederaufbau der Ukraine –, trägt dann die Allgemeinheit.» Er kündigt für die Herbstsession entsprechende Vorstösse an, die möglichst breit abgestützt sein sollen. Man werde daher auch das Gespräch mit anderen Parteien suchen. «Mitte-Präsident Gerhard Pfister hat ja durchaus Interesse am Thema bekundet.»

Auch Habeck will eine Windfall Tax

In der Tat hat Pfister bereits im Frühsommer eine Anfrage an den Bundesrat gestellt, wie sich dieser zur Einführung einer Windfall Tax stelle. Die Landesregierung kann dem wenig überraschend nicht viel abgewinnen – und dabei will Pfister es vorläufig belassen. Es sei ihm damals mehr darum gegangen, dass der Bundesrat sich vorbereitet, falls eine Windfall Tax international Thema würde.

Unmöglich ist das nicht, in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) werden entsprechende Ideen gewälzt. Und so sagt Irminger auch, die Grünen fühlten sich international gut abgestützt. «Der deutsche Vizekanzler Robert Habeck will eine solche Krisengewinnsteuer, andere Staaten haben sie schon eingeführt.»

So werden in Grossbritannien alle aussergewöhnlichen Profite der Öl- und Gaskonzerne neu mit 25 Prozent besteuert. Im Verlauf des nächsten Jahres versprechen sich die Briten umgerechnet 5,8 Milliarden Franken zusätzliche Einnahmen. Auch Italien besteuert solche Zufallsgewinne bereits mit 25 Prozent.

Unterstützung aus der FDP

Eine Mitstreiterin könnten die Grünen eventuell auch in Anna Giacometti (60) finden. Die FDP-Nationalrätin aus Graubünden hatte im Frühling ebenfalls gefragt, ob der Bundesrat eine Möglichkeit sehe, die ausserordentlichen Gewinne der multinationalen Unternehmen zu besteuern, um die Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz zu entlasten. Doch auch sie wurde enttäuscht.

Aufgeben will sie nicht. Die Antwort des Bundesrats habe sie nicht zufriedengestellt. «Und sie ist auch widersprüchlich: Einerseits sagt er, dass die Abgrenzung von Gewinn und Übergewinn nicht möglich ist. Zwei Zeilen später heisst es, dass Übergewinne bereits besteuert würden.» Das gehe nicht auf.

Und so will Giacometti in der Herbstsession ebenfalls nochmals nachstupfen. «Mich stört, wenn sich Konzerne an Krisen eine goldene Nase verdienen, während etwa die Bevölkerung die Kosten zu tragen hat – wie momentan beim Benzin. Das ist einfach nicht korrekt», sagt sie. Sie werde die Frage der Windfall Tax in der Herbstsession mit der FDP-Fraktion besprechen. «Wenn es eine smarte und faire Lösung gibt, sollte man diese prüfen.»

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