Wirtschaftsexperte Werner Vontobel ordnet ein
Kriegsgewinnler, soweit das Auge reicht!

Energieproduzenten, Impfstoffhersteller, Immobilienfirmen: Das Argument von der «Knappheit» erklärt fast nichts. Aber es verschleiert alles, schreibt Wirtschaftsexperte Werner Vontobel.
Publiziert: 11.06.2022 um 11:41 Uhr
Werner Vontobel

Die Knappheit treibt die Preise hoch. Sagt man. Doch das ist nur der kleinere Teil der Wahrheit. Wir kennen das seit biblischen Zeiten: Nach einer Missernte steigen die Preise der Lebensmittel. Das ist auch richtig so: Die Bauern kommen auch in normalen Zeiten nur knapp über die Runden. Fällt nun die Hälfte der Ernte aus, müssen sie die Preise verdoppeln. Nur so können sie das nötige Saatgut kaufen und den Tank des Traktors füllen, damit sie den Acker für die nächste Ernte bestellen können. Das liegt auch im Interesse der Konsumenten.

Die aktuelle Lage ist etwas anders. Zwar fallen die russischen Energielieferungen weitgehend aus, doch der entsprechende Schaden fällt nur in Russland an. Die Kosten der anderen Energielieferanten erhöhen sich nicht, oder nur insofern als sie weniger ertragreiche Öl- und Gasvorkommen ausbeuten müssen. Dass steigende Produktionskosten nicht der Hauptgrund für die steigenden Energiepreise sind, zeigt darin, dass die 28 grössten Energieproduzenten der Welt allein im ersten Quartal dieses Jahres 93,3 Milliarden Dollar Gewinn eingestrichen haben, gut dreimal mehr als in der gleichen Periode des Vorjahrs.

Impfstoff-Hersteller machen Kasse

Auch der andere «Krieg», der gegen das Coronavirus, hat seine Kriegsgewinnler hervorgebracht. Die drei Impfstoffhersteller Pfizer, Biontech und Moderna haben zusammen rund 35 Milliarden Dollar Gewinn eingefahren. Die Gewinnmarge dürfte über 75 Prozent liegen. Das geht aus der Jahresrechnung von Moderna hervor, bei der die Ausgaben mit 4,6 und die Einnahmen mit 18,5 Milliarden zu Buche schlagen. Dabei sind auch staatliche Forschungs-Zuschüsse von 735 Millionen enthalten.

Die Knappheit treibt die Preise hoch. Sagt man. Doch das ist nur der kleinere Teil der Wahrheit, schreibt Wirtschaftsexperte Werner Vontobel.
Foto: Sobli
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Insgesamt haben die Staatskassen die Erforschung der Covid-Impfstoffe mit rund 8 Milliarden Dollar unterstützt. Moderna-Chef Stephane Bancel hat letzte Jahr allein durch den Verkauf von Aktien 408 Millionen verdient. Sein Vermögen wird von CNBC auf 5,1 Milliarden geschätzt. Laut dieser Quelle ist er aber nur einer von fünf neuen Corona-Milliardären mit einem Vermögen von total 35 Milliarden.

Knappheit an Bauland – Bodenbesitzer profitieren

Das ist zwar viel Geld, aber doch bloss Peanuts im Vergleich zu den Profiten, die der Standort-Wettbewerb möglich macht. Diesen «Krieg» gewinnt man – bzw. die Schweiz – , indem man mit tiefen Steuern und guten Rahmenbedingungen wohlhabende Leute und erfolgreiche Firmen in die Schweiz lockt. Die Reichen residieren und auch die Expats können hohe Mieten zahlen. Dazu kommen dann noch die Flüchtlinge, deren Platzbedarf pro Kopf allerdings deutlich tiefer ausfällt. All das führt zu einer Knappheit an Bauland.

Wie sehr die Bodenbesitzer davon profitieren, illustriert dieser Vergleich: In den letzten zehn Jahren ist gemäss der Statistik des Nettokapitalstocks die Hochbau-Bausubstanz «nur» um 147 Milliarden Franken gestiegen. Gleichzeitig ist aber der Gesamtwert der Immobilien (Boden und Bauten) gemäss der Nationalbank um 859 Milliarden angewachsen. Der Boden allein ist somit um gut 700 Milliarden aufgewertet worden. Bei der vom Immobilienberater Wuest Partner ausgewiesenen Netto-Rendite von 3,5 Prozent ergibt das eine reine Bodenrente von rund 25 Milliarden Franken jährlich. Für viele Haushalte bedeutet das monatliche Zusatzkosten 1000 Franken und mehr. Die höheren Spritpreise und Krankenkassenkosten sind dann bloss die Tropfen, die das Fass zum Überlaufen bringen.

Das Argument von der «Knappheit» erklärt fast nichts. Aber es verschleiert alles.

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