Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder bekämpft 99%-Initiative
«Die Juso wollen eine Super-Besteuerung einführen»

Die Juso wollen den Reichen ans Portemonnaie. Kapitaleinkommen sollen eineinhalbmal so hoch besteuert werden wie Löhne. Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder hält die Initiative schlicht für überflüssig.
Publiziert: 06.09.2021 um 00:53 Uhr
Interview: Ruedi Studer

Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse führt die Nein-Kampagne gegen die 99-Prozent-Initiative der Juso an. In der ersten SRG-Trendumfrage liegen die Befürworter hauchdünn vorn. Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder (62), seit knapp einem Jahr im Amt, will die Initiative unbedingt bodigen. Blick empfängt er in der Verbandszentrale in Zürich bei einer Tasse Kaffee zum Interview.

Blick: Herr Mäder, gemäss Bundesamt für Statistik verfügen die 0,3 Prozent Reichsten der Bevölkerung über rund ein Drittel des Vermögens – gut 650 Milliarden Franken. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung muss sich mit 2 Prozent begnügen. Finden Sie diese Verteilung gerecht?
Christoph Mäder: Die Einkommensverteilung in der Schweiz ist im internationalen Vergleich sehr gleichmässig. Auch beim Vermögen besitzt das reichste Prozent deutlich weniger als ein Drittel, wenn man die Pensionskassenvermögen miteinbezieht. Diese sind vorhanden, fehlen aber meist in der Vermögensstatistik. Wir sprechen da von rund 1000 Milliarden Franken. Berücksichtigt man diese, ist die Vermögensschere ausgeglichener.

Es ist doch eine kleine Schicht von Vermögenden, die in grossem Stil in Aktien oder Immobilien investieren kann und damit Kapitalerträge generiert. Hier setzt die Juso-Initiative an.
Das Verhältnis zwischen Kapitalerträgen und Lohneinkommen ist seit Jahren ziemlich stabil – mit gut 30 zu 70 Prozent. Kapitaleinkommen wie Zinsen oder Dividenden werden bereits heute voll besteuert und unterliegen sogar der Progression, anders als in vielen anderen Staaten. Zudem haben wir in allen Kantonen eine Grundstückgewinnsteuer. Was nicht besteuert wird, sind private Kapitalgewinne. Doch jetzt wollen die Juso ab einem gewissen Schwellenwert zusätzlich eine eineinhalbfache Super-Besteuerung einführen.

Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder bekämpft die Juso-Initiative.
Foto: Philippe Rossier
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Die Juso legen den Finger doch auf einen wunden Punkt: Dividenden werden bei Familienunternehmen nur teilweise besteuert, Aktiengewinne gar nicht. Da gibt es doch Lücken im Steuersystem.
Nein, wir haben keine Lücke. Wir haben ein gut austariertes Steuersystem und ersetzen die vermeintlichen Lücken durch andere Elemente!

Nämlich?
Wir haben eine Vermögenssteuer, die viele andere Länder nicht kennen. Diese wirkt wie eine ständige Kapitaleinkommenssteuer. Wer Aktiengewinne einfährt, zahlt eine höhere Vermögenssteuer. Nehmen Sie die direkte Bundessteuer: Die Hälfte der Bevölkerung zahlt keine oder nur eine geringfügige Bundessteuer, das oberste Prozent stemmt gut 40 Prozent. Eine grosse Umverteilung findet zudem in der AHV statt. Der AHV-Beitrag wird auf dem vollen Lohn bezahlt und ist damit eine Reichensteuer. Unser Steuersystem ist bereits sehr fair ausgestaltet, die Juso-Initiative damit überflüssig.

Die Initiative sieht einen Schwellenwert vor, ab welchem die höhere Besteuerung greift. Da muss man schon mal ein paar Millionen auf der Seite haben. Diesen Reichen tut es doch nicht weh, wenn man hier etwas mehr abzwackt.
Nimmt man einen Schwellenwert von 100'000 Franken, sind es rasch einmal viel mehr als das eine Prozent Superreiche, wie die Initianten behaupten. Das ist eine Irreführung der Juso.

Aargauer Gipfelstürmer

Christoph Mäder (62) hat im Oktober 2020 von Heinz Karrer (62) das Economiesuisse-Präsidium übernommen. Der Aargauer Pfarrerssohn studierte Jura und war danach für Sandoz und Novartis tätig. Von 2000 bis 2018 gehörte er der Geschäftsleitung des Chemiekonzerns Syngenta an. Mäder ist Verwaltungsratsmitglied verschiedener Konzerne, etwa von Ems-Chemie und Lonza. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern lebt in Hergiswil NW. Am liebsten ist er, sommers wie winters, in den Bergen.

Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder.
André Springer

Christoph Mäder (62) hat im Oktober 2020 von Heinz Karrer (62) das Economiesuisse-Präsidium übernommen. Der Aargauer Pfarrerssohn studierte Jura und war danach für Sandoz und Novartis tätig. Von 2000 bis 2018 gehörte er der Geschäftsleitung des Chemiekonzerns Syngenta an. Mäder ist Verwaltungsratsmitglied verschiedener Konzerne, etwa von Ems-Chemie und Lonza. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern lebt in Hergiswil NW. Am liebsten ist er, sommers wie winters, in den Bergen.

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Als Otto Normalbürger kommt man aber nicht so einfach zu 100'000 Franken Kapitalertrag.
Nicht alle, aber es betrifft mehr, als die Initianten vorgeben. Nehmen Sie ein älteres Paar, welches vor Jahrzehnten eine Immobilie erstanden hat und nun verkauft. Angesichts der aktuellen Immobilienpreise ist der Schwellenwert rasch erreicht. Die Initiative kann auch für einen durchschnittlichen Haushalt rasch einmal relevant werden. Nicht zu vergessen sind Familienunternehmen, vor allem KMU, bei welchen eine Nachfolgeregelung vielerorts praktisch verunmöglicht wird.

Da bringen Sie das typische Angstmacher-Argument wie bei jeder Steuerabstimmung. Die Besteuerung hält doch niemanden von der Übernahme eines funktionierenden Unternehmens ab.
Eben doch! Familienaktionäre – meist KMU-Unternehmer – müssen heute ihre Dividenden nicht voll besteuern, da ihre Familienunternehmen den Gewinn bereits voll versteuert haben. Das würde sich mit der Initiative ändern, mit einer Besteuerung von 100 Prozent bis zum Schwellenwert und 150 Prozent darüber. Das hiesse für viele Unternehmer eine Verdoppelung der Steuern. Damit werden dem Betrieb nicht nur Mittel für Investitionen entzogen, allenfalls muss er sich auch mehr verschulden. Und je mehr Schulden einen Betrieb belasten, umso schwieriger wird die Nachfolgeregelung. Erst recht, wenn ihnen nun auch noch Dividenden-Einkommen fehlt. Das hat nichts mit Angstmacherei zu tun!

Die Juso rechnen mit rund zehn Milliarden Franken, welche von oben nach unten umverteilt werden könnten. Unter der Corona-Pandemie haben vor allem die kleinen Leute gelitten. Da wäre eine solche Umverteilung doch eine faire Belohnung.
Unser Steuersystem bringt bereits eine starke Umverteilung mit, die soziale Abfederung ist gewährleistet. Die Schweiz ist sehr gut durch die Corona-Krise gekommen und hat Milliarden in die Abfederung der Folgen investiert. Die KMU erst zu unterstützen und dann durch zusätzliche Steuern wieder zu belasten, macht keinen Sinn. Es gibt keinen Bedarf für eine weitere Umverteilung. Und es gibt keinen Grund, dass Corona für einen Systemwechsel hinhalten muss.

Aufgrund der Corona-Schulden könnte aber der Staat eine Entlastung gebrauchen.
Wir müssen die Schulden abbauen. Das schaffen wir, indem wir für eine florierende Wirtschaft sorgen, die genügend Steuersubstrat generiert.

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