Crypto-Skandal
Bundesrat verwedelt die Spionage-Affäre

Die Affäre um manipulierte Chiffriergeräte schade dem Ruf der Schweiz nicht. Davon ist der Bundesrat überzeugt. Und er lässt durchblicken: Das gehöre eben zur Spionage-Branche. Diese Einstellung kommt nicht gut an.
Publiziert: 25.03.2020 um 10:13 Uhr
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Aktualisiert: 16.11.2020 um 09:46 Uhr
Daniel Ballmer

Grünen-Nationalrat Gerhard Andrey (44) hat ein ungutes Gefühl: «Der Bundesrat scheint die Crypto-Affäre möglichst unter den Teppich kehren zu wollen.» Er versuche den Eindruck zu erwecken, alles sei nur halb so wild.

Zur Erinnerung: Während Jahrzehnten haben der US-Geheimdienst CIA und der deutsche Bundesnachrichtendienst andere Regierungen ausgehorcht – dies mithilfe manipulierter Chiffriergeräte der Schweizer Crypto AG. Was lange als Gerücht herumgeisterte, konnte ein Recherche-Kollektiv von SRF-Rundschau, ZDF und «Washington Post» im Februar erstmals belegen.

Aus den Dokumenten soll hervorgehen, dass der Schweizer Geheimdienst davon wusste – und schwieg. Dasselbe soll für damalige Bundesratsmitglieder gelten. Es wäre ein massiver Bruch gegen das Neutralitätsprinzip. Der gute Ruf der Schweiz als verlässliche Vermittlerin auf der internationalen Bühne stünde auf dem Spiel – könnte man meinen.

Der US-Geheimdienst CIA und der deutsche Bundesnachrichtendienst sollen mit Schweizer Hilfe andere Länder ausspioniert haben.
Foto: Keystone
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Bundesrat hat keine Angst ums Image

Der Bundesrat sieht das entspannter. Er habe keinen Grund zur Annahme, «dass das Vertrauen anderer Staaten in die Schweizer Neutralitätspolitik nicht mehr intakt wäre», schreibt er in seinen eben veröffentlichten Antworten auf Vorstösse von SP und Grünen. Die Glaubwürdigkeit der Schweizer Aussenpolitik basiere auf ihrer langjährigen Beständigkeit und Verlässlichkeit. Bisher hätten nur wenige Drittstaaten auf den Skandal reagiert.

Für die Landesregierung drängen sich derzeit denn auch keine Massnahmen auf. Ohnehin verweist sie lieber auf die laufende Untersuchung durch die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) des Parlaments. Deren Bericht gelte es nun abzuwarten. Vorher will die Regierung gar nichts tun.

Und noch mehr, wie sich Andrey aufregt: «Der Bundesrat lässt durchblicken, dass eine solche Affäre in der Spionage-Branche eben zum Berufsrisiko gehört.» So erklärt die Regierung, dass Nachrichtendienste zur Früherkennung von Bedrohungen ihre Aufgaben auch in einem digitalisierten Umfeld wahrnehmen können müssten. Dazu zählten auch Beschaffungstätigkeiten im Ausland. Es gelte aber, «sorgfältige Abwägungen zwischen den Risiken solcher Möglichkeiten und dem Nutzen zu treffen».

«Der Bundesrat versucht, sich zu verstecken»

Parlamentarier zeigen sich masslos enttäuscht: «Gerade die langjährige Verlässlichkeit der Schweiz wird durch die Crypto-Affäre über den Haufen geworfen», so Andrey. «Natürlich ist der Ruf der neutralen Schweiz angeknackst.» Auch SP-Fraktionschef Roger Nordmann (47) ist unzufrieden: «Der Bundesrat versucht, sich hinter der Untersuchung der GPDel zu verstecken.» Dabei könne diese nur allfällige Fehler in der Verwaltung untersuchen – nicht aber mögliche Straftaten.

Dass der Bundesrat weiter betont, dass Spionageaktivitäten von ausländischen Diensten in der Schweiz strafrechtlich geahndet werden können, kann die Parlamentarier ebenfalls nicht beruhigen.

«Ein Hilferuf des Bundesrats»

«Für mich ist das sogar ein Widerspruch», sagt Andrey. «Wenn wir alle nötigen Gesetze haben, wieso kommt es dann zu einem solchen Skandal, bei dem vieles darauf hindeutet, dass die Schweizer Behörden davon wussten?»

SP-Fraktionschef Nordmann kommt dagegen zu einem anderen Schluss. Er verweist darauf, dass die Landesregierung sämtliche Gesetze aufliste, gegen die möglicherweise verstossen wurde. «Dass er aufzeigt, was eigentlich alles verboten ist, interpretiere ich als Hilferuf des Bundesrats», sagt Nordmann. «Er will, dass sich der Bundesanwalt der Sache annimmt, so wie sie es eigentlich schon lange hätte tun müssen.»

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