«Der Höhepunkt wird spätestens Mitte Februar sein»
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Infektiologe Huldrych Günthard:«Der Höhepunkt wird spätestens Mitte Februar sein»

Corona-Lage in den Spitälern
Zürich entspannt, Luzern besorgt, Basel alarmiert

Hat das Gesundheitssystem die schlimmste Corona-Belastung hinter sich? Schweizweit bleibt das Bild uneinheitlich: In Zürich ist man optimistisch, in Bern vorsichtig – und in Basel blickt man düster in die Zukunft.
Publiziert: 21.01.2022 um 00:24 Uhr
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Aktualisiert: 21.01.2022 um 06:49 Uhr
Gianna Blum

Gesundheitsminister Alain Berset gab sich am Mittwoch betont zuversichtlich: Die Lage in den Spitälern habe sich entspannt, das Ende der Pandemie sei in Sicht. Um einiges weniger optimistisch war tags zuvor allerdings die Experten-Taskforce des Bundes. Die gemeldeten Spitaleinweisungen sind oft verspätet oder unzuverlässig – darum seien die vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) gemeldeten Daten schlicht nicht brauchbar, um die Belastung einzuschätzen.

Wie ernst ist die Lage nun wirklich noch? Blick hat bei diversen Schweizer Spitälern nachgefragt. Und zumindest eines trifft tatsächlich zu: Auf den Intensivstationen hat sich die Situation entspannt. Sie sei «stabil», meldet etwa das St. Galler Kantonsspital. Von einer Stabilisierung spricht auch die Berner Insel-Gruppe. Und man habe die Lage «unter Kontrolle», so das Spitalzentrum CHUV in der Waadt.

Rickli hat das Ende vor Augen

Die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (45, SVP) ist gar schon fast so weit, das Ende der Pandemie auszurufen. Noch sei es zu früh, die Massnahmen aufzuheben, sagte sie in der neuen Blick-TV-Talkshow «Hier fragt der Chef». Aber: «Wenn alles gut geht – wovon derzeit alle ausgehen –, handelt es sich noch um ein paar wenige Wochen.»

Die Omikron-Fallzahlen steigen und steigen.
Foto: LAURENT GILLIERON
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Etwas vorsichtiger äussert sich Huldrych Günthard, Leiter der Spitalhygiene am Universitätsspital Zürich. Er stellt fest: «Auf der Intensivstation gibt es Omikron praktisch nicht.» Und wenn doch, liege bei einem betroffenen Patienten sonst noch ein schweres Grundleiden vor. In Zürich seien die Intensivpatienten fast nur Delta-Patienten.

«Wir haben praktisch keine Omikron-Fälle auf der IPS»
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Infektiologe Huldrych Günthard:«Wir haben praktisch keine Omikron-Fälle auf der IPS»

Letztere belegen allerdings immer noch ein Drittel der Plätze. Und auch jene Patienten, die nicht wegen, aber mit Corona aufgenommen werden, bedeuten eine grosse logistische Herausforderung. Günthard glaubt nicht, dass die Omikron-Welle ihren Höhepunkt bereits erreicht hat. Er könne sich irren, betont er, aber er rechne eher damit, dass es «Ende Januar bis spätestens Mitte Februar» der Fall sein werde. Was das für die Spitäler bedeutet, ist auch für den Experten unmöglich einzuschätzen. Die Frage sei immer, wie stark die Welle die Ungeimpften noch erreiche, für die auch Omikron gefährlich sein kann. «Ich bin inzwischen aber optimistisch, dass die Entkoppelung der Fälle und der Hospitalisierungen anhält.»

Steigende Spitaleinweisungen

Den Zürcher Optimismus teilen längst nicht alle. Was die Spitaleinweisungen, aber auch was die Erwartungen an die nächsten Tage betrifft, ist das Bild schweizweit uneinheitlich. Während die Hospitalisierungen in Zürich laut Günthard «recht stabil» sind und am St. Galler Kantonsspital sogar zurückgehen, ist in Bern, Genf oder der Waadt von einem Anstieg die Rede. Sorgen macht den Spitälern vor allem auch: Wie die Patienten versorgen, wenn das eigene Personal unter Umständen wegen Omikron ausfällt?

Am düstersten klingt es aus der Nordwestschweiz. Stand Donnerstag, verzeichnet das Basler Unispital «eine Rekordzahl an Abstrichen und eine bis auf den vorletzten Platz volle Intensivstation», so ein Sprecher. «Wir müssen angesichts der Rekord-Ansteckungszahlen davon ausgehen, dass es einerseits nicht besser wird und andererseits die Erkrankungsfälle beim Personal zunehmen.»

Die Berner Insel-Gruppe hat immer noch eine gut gefüllte Intensivstation, etwa ein Viertel sind Covid-Patienten. Obwohl deren Anzahl konstant ist, ist immer noch Unterstützung von Studierenden und Freiwilligen nötig. «Wir müssen nach wie vor nicht-dringliche Operationen verschieben», so eine Sprecherin. Denn das Anästhesie-Personal werde gebraucht, um möglichst viele zertifizierte Betten auf der Intensivstation zu betreiben. Man gehe davon aus, dass der Anstieg anhält und, wenn auch weniger stark, auch auf den Intensivstationen noch droht. «Im Unterschied zu früher stehen in dieser Welle jedoch die Personalausfälle stärker im Vordergrund.»

Warten auf die Operation

«Aktuell ist es noch zu früh, um Entwarnung zu geben», sagt auch Guido Graf (63, Mitte), Gesundheitsdirektor des Kantons Luzern. Kurz vor Weihnachten hatte Graf in einer dramatischen Medienkonferenz Triage-Entscheide angekündigt. Diese scheinen nicht unmittelbar zu drohen. Doch Graf warnt: «Das Risiko einer Überlastung ist weiterhin hoch.» Der Grund ist derselbe wie überall: Die Auslastung in den Spitälern sei noch immer hoch und die bereits hohen Personalausfälle drohten weiter zuzunehmen. «Die Personalsituation wäre noch viel schlimmer, wenn die Spitäler nicht durch Angehörige der Armee und des Zivilschutzes unterstützt würden», so Graf. Auch in Luzern müssen Operationen verschoben werden, laut dem Regierungsrat warten zurzeit rund 400 Personen auf einen Eingriff. Auch das sei eine Art Triage, sagt Graf.

«Keine Entwarnung», das könnten auch die Genfer Universitätsspitäler HUG sowie das CHUV in der Waadt unterschreiben. «Es ist unmöglich vorauszusagen, wie sich die nächsten Tage entwickeln», warnt Genf, zudem bleibe die Belastung zwar konstant, aber hoch. Am CHUV werden «sehr beschränkt» wieder Wahleingriffe durchgeführt. Doch bis die 900 Operationen, die allein im November verschoben werden mussten, nachgeholt werden, werde es noch Monate dauern.

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