Bundesrat berät über Eckwerte für Verhandlungsmandat
Bern und Brüssel raufen sich zusammen

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit scheinen Bern und Brüssel wieder zusammenzufinden. Es gibt hüben wie drüben Zugeständnisse, dank derer auch die Gewerkschaften wieder mit dabei sein können.
Publiziert: 20.06.2023 um 00:08 Uhr
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Aktualisiert: 20.06.2023 um 09:39 Uhr
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Pascal TischhauserStv. Politikchef

Und sie bewegt sich doch – die EU: Die Beziehungen zu Brüssel könnten rascher in geordneten Bahnen verlaufen als erwartet. Schon am Mittwoch wird der Bundesrat wohl die Eckwerte für ein Verhandlungsmandat mit der EU festlegen.

Diesmal könnte es klappen mit einem Abkommen. Schliesslich dürften die Gewerkschaften nun mit an Bord sein. Denn beim Lohnschutz ist man weiter als beim Rahmenabkommen, das der Bundesrat vor zwei Jahren versenkte. Der Vizepräsident der EU-Kommission, Maros Sefcovic (56), hat gegenüber den Gewerkschaften versichert, Brüssel sei bereit, den geltenden Lohnschutz abzusichern. Im Gegenzug beharrt die EU darauf, die Voranmeldefrist für EU-Firmen, die in der Schweiz Aufträge ausführen, von acht auf vier Tage zu halbieren.

Dann halt vier

Zwar hätten die Gewerkschaften lieber fünf Tage gehabt, doch wenn dafür der Lohnschutz gesichert ist, schluckt man diese Pille offenbar.

Schon am Mittwoch berät der Bundesrat über die Eckwerte für ein Verhandlungsmandat mit der EU.
Foto: Keystone
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Adrian Wüthrich (43), Präsident des Gewerkschaftsdachverbands Travailsuisse, sagt: «Wenn die EU tatsächlich rechtsverbindlich zusagt, dass der Lohnschutz auf heutigem Niveau verbleibt, sollte der Bundesrat im Herbst Verhandlungen mit Brüssel über ein Abkommen aufnehmen.»

Die Macht der Unia

Auch von der Spitze der Unia, der grössten Gewerkschaft, tönt es ähnlich. Sie ist das wichtigste Mitglied des zweiten Dachverbands, des Gewerkschaftsbunds (SGB). Zwar gilt der SGB als Bremser bei den Beziehungen mit der EU. Doch weit mehr als die Hälfte seiner Mitglieder ist in der Unia organisiert. Dort sitzen die Macht und das Geld.

Für die Gewerkschaften ist jedoch klar, dass auch die Schweiz die Voraussetzungen schaffen muss, um den Lohnschutz eigenständig auf heutigen Niveau zu halten. «Hier muss sich vor allem die Arbeitgeberschaft bewegen. Sie betont zwar immer, wie wichtig ein Abkommen mit der EU sei, doch anhand ihrer Taten ist nicht ersichtlich, dass ihr das auch ernst ist», so Wüthrich.

Höherer GAV-Anteil

Laut ihm müsste die Schweiz sich der Mindestlohnrichtlinie der EU angleichen, indem man den Anteil der Gesamtarbeitsverträge (GAV) von 50 auf 80 Prozent zu erhöhen versucht.

Dagegen wehren sich die Wirtschaftsverbände traditionell. Doch sie schwächeln. Economiesuisse hat nicht mehr die Strahlkraft von einst. Der Gewerbeverband muss sich davon erholen, mit Henrique Schneider (45) einen Direktor berufen zu haben, der nicht zu halten war. Und was mit dem Arbeitgeberverband nach dem Abgang von Präsident Valentin Vogt (62) wird, steht in den Sternen.

Gut möglich, dass der Bundesrat sich über den Sommer Zeit lässt, um ein Mandat auszuarbeiten. Schliesslich hat er kein Interesse daran, das EU-Thema vor den Wahlen vom 22. Oktober aufs Tapet zu bringen.

UBRL entschärft

Dafür will man nach den Wahlen Gas geben, denn es scheinen noch mehr Hürden ausgeräumt worden zu sein. So soll die EU Zugeständnisse bei der Unionsbürgerrichtlinie (UBRL) gemacht haben. Nur noch für hierzulande Beschäftigte soll die UBRL gelten. Damit sei die Gefahr einer unkontrollierten Einwanderung in unser Sozialsystem gebannt.

Aber eben: Zu laut freuen will sich keiner. Niemand mag die SVP mit dem EU-Thema aufschrecken.


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