Was können wir gegen die Herbstwelle tun?
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Impfen, boostern, 2G:Was können wir gegen die Herbstwelle tun?

Booster für alle, 2G, Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen oder Lockdown
Was können wir gegen die Herbstwelle tun?

Die Herbstwelle ist in der Schweiz angekommen – am Mittwoch meldete das Bundesamt für Gesundheit 4150 Neuinfektionen. Was kann man tun, um die Welle zu brechen? Blick zeigt einige Möglichkeiten auf.
Publiziert: 11.11.2021 um 00:26 Uhr
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Aktualisiert: 11.11.2021 um 20:22 Uhr
Sermîn Faki

Wird die 3000er-Grenze geknackt? Das fragten sich am Mittwochmorgen viele, nachdem das Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Dienstag 2986 Corona-Fälle gemeldet hatte. Um 13.31 Uhr war diese Frage überholt. Das BAG meldete 4150 neue Ansteckungen. So hoch waren die Zahlen zuletzt am 5. Januar. «Die Zahlen sind beunruhigend», so Bundespräsident Guy Parmelin (62).

Bundesratspraesident Guy Parmelin spricht an einer Medienkonferenz ueber die Tourismusstrategie des Bundes, am Mittwoch, 10. November 2021, im Medienzentrum Bundeshaus in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
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Überraschen konnte der starke Anstieg nicht, wenn man in den letzten Tagen ins umliegende Ausland blickte. Deutschland verzeichnete am Mittwoch fast 40'000 neue Ansteckungen und damit so viele wie noch nie in dieser Pandemie. In Österreich waren es 11'300 Fälle, in Frankreich bereits am Dienstag über 12'000.

Zahl der Spitaleinweisungen noch stabil

Immerhin: In der Schweiz steigt die Zahl der schweren Fälle, die in einem Spital behandelt werden müssen, nicht. Am Mittwoch meldete das BAG
55 Hospitalisierungen, die Zahlen sind seit Wochen ziemlich stabil. Die Auslastung der Intensivstationen liegt bei 75,9 Prozent, jeder fünfte IPS-Patient ist ein Covid-Kranker.

Die Corona-Zahlen steigen – am Mittwoch vermeldete das BAG 4150 neue Fälle. «Die Zahlen sind beunruhigend», sagte Bundespräsident Guy Parmelin.
Foto: keystone-sda.ch
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Das allerdings kann sich ändern: Schwere Krankheitsverläufe zeigen sich erst Tage bis Wochen nach der Infektion. Österreichs Intensivstationen könnten schon in zwei Wochen an eine systemkritische Grenze stossen, warnt das Gesundheitsministerium. In Deutschland ächzen die Spitäler bereits wieder unter der zusätzlichen Last.

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«Höchste Zeit zu handeln»

Der dortige Star-Virologe Christian Drosten (49) jedenfalls spricht von einer «Notfallsituation»: «Wir sind schlimmer dran als vor einem Jahr.» Angesichts der eher niedrigen Impfquote warnt er vor weiteren 100'000 Toten und sagt: «Es ist höchste Zeit zu handeln.»

Nur: Welche Möglichkeiten gibt es, um die sich auftürmende Herbstwelle in Schach zu halten? Und was bringen die?

  • Impfen: Die Impfung ist das beste Mittel gegen Corona – das schleckt keine Geiss weg: um sich selbst zu schützen, aber auch, um als Gesellschaft eine Immunität aufzubauen. Auf kurze Sicht ist der persönliche Nutzen, sich jetzt noch schnell impfen zu lassen, zwar beschränkt – bis ein ausreichender Schutz aufgebaut ist, dauert es etwa vier bis sechs Wochen. Wer sich heute stechen lässt, kann dennoch von der Herbstwelle erwischt werden. Um eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern, ist aber jede Impfung hilfreich, auch jetzt noch. Weil die Erkrankung meistens weniger schwer ausfällt und weil Geimpfte selbst weniger ansteckend sind.
  • Booster für alle: Nächste Woche beginnen die Kantone mit den Auffrischungsimpfungen bei über 65-Jährigen und Risikopersonen. Die Schweiz ist hier eher vorsichtig. Frankreich hat damit schon begonnen und wird die Booster-Impfung in drei Wochen auf alle über 50-Jährigen ausdehnen, wie Präsident Emmanuel Macron (43) am Dienstag sagte. Senioren erhalten nur noch ein Impf-Zertifikat, wenn sie die Auffrischung haben. In Italien werden ab 1. Dezember alle ab 40 geboostert. Der deutsche Virologe Drosten geht noch einen Schritt weiter: Er fordert, dass man erst mit drei Dosen als vollständig geimpft gelten soll. Er verweist auf Israel, das mit dem Booster für alle die Fallzahlen deutlich senken konnte – weil dreifach Geimpfte weniger ansteckend seien. «Der frische Booster drückt das Virus so, dass man auch die Übertragung verringert.» Beim BAG will man davon noch nichts wissen. Auf Blick-Anfrage heisst es, dass die Impfung gemäss aktuellen Daten auch ohne Auffrischungsimpfung noch sehr gut wirke. Entsprechend werde der Booster nur für Senioren empfohlen. Das könne man aber rasch anpassen, wenn angebracht.
  • 2G: In Österreich und einigen deutschen Bundesländern heisst es schon: Genesen, geimpft – oder draussen bleiben. In der Schweiz will noch kaum jemand etwas davon wissen. Epidemiologisch macht die 2G-Regel durchaus Sinn: Geimpfte können sich mit dem Virus infizieren – selbst wenn sie es gar nicht bemerken – und dieses weiterverbreiten. Während andere Geimpfte und Genesene gut vor einer schweren Erkrankung geschützt sind, sieht das für den negativ Getesteten anders aus: Er geht in einem Raum mit Geimpften ein grösseres Risiko ein zu erkranken. Und das Gesundheitswesen zu belasten.
  • Massnahmen-Verschärfungen: Im Corona-Phasen-Modell des Bundesrats sind Verschärfungen nur noch für Ungeimpfte vorgesehen. Doch sollten die Fallzahlen weiter steigen und das Gesundheitswesen an seine Grenze kommen, sind Massnahmenverschärfungen für alle durchaus denkbar: von der Homeoffice-Empfehlung über die Maskenpflicht in allen Innenräumen bis hin zu neuen Schliessungen. Wobei sich der Bundesrat scheuen wird, zu stark einzugreifen. Die Schweiz hatte im Gegensatz zu anderen Staaten immer nicht nur die epidemiologische Situation im Blick, sondern auch die wirtschaftlichen und sozialen Folgen von Massnahmen hoch gewichtet. Neue drastische Einschränkungen dürften nicht nur bei der Wirtschaft, sondern auch in der Bevölkerung schlecht ankommen. Und ob die Kantone zu solchen Mitteln greifen – selbst wenn die Intensivstationen voll sind –, darf angesichts der Erfahrungen bezweifelt werden.
  • Selbstverantwortung: Kontaktbeschränkungen bremsen das Virus aus, das ist seit den Lockdowns erwiesen. Doch dazu brauchen wir keine Befehlsausgabe aus Bern. Wir können uns auch selbst einschränken. Vielleicht müssen wir nicht mehr jedes Wochenende in die Bar, in den vollen Club. Wir können Maske auch dort tragen, wo es nicht Pflicht ist. Wieder mehr Abstand halten und unsere Kontakte auf das Nötige – den Arbeitsplatz und den engen Freundes- und Familienkreis – beschränken.
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4150 – vielleicht ist diese Zahl ja nur ein Ausreisser. Die Entwicklungen in unseren Nachbarländern zeigen aber, dass nur wenig Hoffnung darauf besteht. Nichts tun ist da keine Option.

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