Bauern-Lobby will das Pestizid-Verbot aushebeln
Hobbygärtner sollen Giftkurs belegen müssen

Links-grüne Parlamentsmitglieder wollen Pestizide aus den Gärten verbannen. Doch sie haben nicht mit der Bauernschläue des obersten Landwirts gerechnet.
Publiziert: 14.09.2022 um 00:10 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2022 um 14:43 Uhr
Lea Hartmann

Damit die Geranien gedeihen und die Rosenhecke schön blüht, greifen viele Hobbygärtnerinnen zu den kleinen Helfern aus dem Baumarkt. Was viele nicht wissen: Unkrautvernichter & Co. können hochgiftig sein!

Rund 200 Tonnen Pestizide werden jedes Jahr in Privatgärten ausgebracht – das entspricht etwa zehn Prozent des gesamten Pestizidverbrauchs in der Schweiz.

Noch vor wenigen Monaten sah es danach aus, als wäre mit dem Gift im Garten und im Hochbeet bald Schluss. Der Ständerat hatte sich im Mai erstaunlich klar dafür ausgesprochen, die giftigsten Mittel für den Privatgebrauch zu verbieten. Doch die Umweltschützer haben sich zu früh gefreut. Denn mit einem Trick ist die Bauern-Lobby drauf und dran, dafür zu sorgen, dass auch im heimischen Garten weiter fleissig gespritzt werden darf.

Ein Pestizidverbot für Private: Der Ständerat hat sich bereits dafür ausgesprochen.
Foto: picture alliance / dpa Themendienst
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Bürgerliche basteln Bürokratiemonster

Diesen Mittwoch entscheidet der Nationalrat übers Gartengift. Allerdings geht es jetzt plötzlich nicht mehr um ein Pestizidverbot für Hobbygärtnerinnen. Die Wirtschaftskommission, die das Geschäft vorberaten hat, hat den ursprünglichen Vorstoss von Grünen-Ständerätin Maya Graf (60) nämlich völlig umgekrempelt. Statt die besonders toxischen Stoffe komplett aus den Privatgärten zu verbannen, sollen umständliche Regeln dafür sorgen, dass nur noch jene Hobbygärtner Pestizide einsetzen dürfen, die dafür eine spezielle Ausbildung gemacht haben.

Völlig absurd finden das die Umweltverbände. «Dieser Vorschlag ist überhaupt nicht praxistauglich, die Bürokratie dahinter wäre jenseits. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, dass man so etwas beschliessen kann», sagt Marcel Liner (52) von Pro Natura.

Oberster Bauer mischelt mit

Und auch Grünen-Nationalrat Kilian Baumann (41) kann nur den Kopf schütteln. Auf den ersten Blick unverständlich ist für ihn, dass mit Olivier Feller (48) ausgerechnet ein Freisinniger ein solches Bürokratiemonster ins Parlament eingebracht hat. Für den Grünen Baumann, von Beruf Biobauer, ist aber klar, dass die Bürgerlichen damit ein anderes Ziel verfolgen: Der Vorstoss ist nur zu einem Bürokratiemonster aufgeblasen worden, damit er im Parlament abstürzt!

Als Strippenzieher der Bürokratiemonster-Aktion sehen mehrere Personen Bauernverbandspräsident Markus Ritter (55), also ausgerechnet denjenigen, der im Abstimmungskampf zu den beiden Pestizid-Initiativen vergangenes Jahr besonders oft betont hat, dass nicht nur die Bauern, sondern auch private Anwender beim Pestizidverbrauch in die Verantwortung genommen werden müssten. Doch nun, wo es ernst gilt, tut er lieber den Agrarkonzernen einen Gefallen.

«Verantwortungslos vom Staat»

Ritter streitet nicht ab, seine Finger im Spiel gehabt zu haben. Von einem Trick will er aber nicht reden. «Es geht darum, eine Ungleichbehandlung zwischen Bauern und Gärtnerinnen sowie Privaten zu verhindern», verteidigt er sich. Und die Umsetzung sei «kein Problem».

Es ist sein voller Ernst, dass die Hobbygärtner wie die Bauern einen Pestizidkurs besuchen und einen Fachkundeausweis erwerben sollen. Schliesslich seien diese Weiterbildungskurse sehr lehrreich. «Es ist wichtig zu wissen, wie beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln die eigene Person richtig geschützt und die Vorgaben für die Umwelt eingehalten werden.»

Der «völlig falsche Weg»

Marcel Liner von Pro Natura hingegen hält ein Kursobligatorium für den völlig falschen Weg. «Diese hochgiftigen Pestizide sind ein Gesundheitsrisiko für die Anwender. Es ist verantwortungslos vom Staat, Private dieser Gefahr auszusetzen, da es genügend giftfreie Alternativen für Privatanwender gibt», sagt er.

Auch Grünen-Politiker Baumann ist Liners Überzeugung. Baumann hofft nun, mit einem Appell ans liberale Gewissen zumindest einen Teil der Bürgerlichen am Mittwoch noch auf seine Seite zu ziehen.

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