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Aussenminister soll beim Rahmenabkommen endlich Reset-Knopf drücken
SVP-Chiesa wirft Cassis Wortbruch vor

Die SVP schöpft durch den Brexit-Deal neue Hoffnungen, dass das Rahmenabkommen scheitert. Präsident Marco Chiesa greift Aussenminister Ignazio Cassis frontal an.
Publiziert: 06.01.2021 um 09:19 Uhr
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Aktualisiert: 02.03.2021 um 14:17 Uhr
Sermîn Faki

Ignazio Cassis (59) soll sein Wort gebrochen haben. Das jedenfalls wirft SVP-Präsident Marco Chiesa (46) dem Tessiner Aussenminister in einem offenen Brief vor. Am 12. September 2017 habe sich Cassis – damals noch Bundesratskandidat – vor der SVP-Fraktion für eine «selbstbestimmte Aussenpolitik» eingesetzt. «Fremde Richter waren für Sie keine Option für unser Land», so Chiesa im Brief. «Auch darum hat unsere Partei ihn in den Bundesrat gewählt», doppelt er gegenüber BLICK nach.

«Als er nach der Wahl vom Reset-Knopf sprach, fühlten wir uns bestätigt», so Chiesa weiter. Doch nun, drei Jahre später, sei von diesem Versprechen nichts geblieben. Cassis verfolge weiterhin die alte Strategie. Statt die automatische Rechtsübernahme und den Europäischen Gerichtshof als Streitschlichter wegzuverhandeln, wolle er nur noch über Lohnschutz, Staatsbeihilfen und Unionsbürgerschaft reden. Alles wichtige Themen, wie Chiesa zugibt, aber «nichts im Vergleich zu unserer Souveränität, unserer direkten Demokratie und unserer Unabhängigkeit».

Den Worten Taten folgen lassen

«Sie sind mit dem Versprechen, eine souveräne Aussenpolitik zu betreiben, Bundesrat geworden», schreibt Chiesa. «Es ist höchste Zeit, dieses Versprechen einzulösen und Verantwortung zu übernehmen.» Ein Bundesrat sei nur dann glaubwürdig, wenn er seinen Worten auch Taten folgen lasse.

Bundesrat Ignazio Cassis soll Wortbruch begangen haben.
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Der Zeitpunkt für eine Neuausrichtung ist gemäss Chiesa durch den Brexit-Deal perfekt: Die Briten hätten ein modernes Freihandelsabkommen erhalten. Und damit «die Kontrolle über ihre Gesetze, ihre Grenzen, ihre Finanzen und den Handel». In der Schweiz solle es nach dem Willen des Bundesrats genau in die andere Richtung gehen.

«Drücken Sie die Reset-Taste!»

Leider mache es nicht den Anschein, als wolle der Bundesrat das ändern, so Chiesa: «Welchen Sinn macht es, den Unterhändler Roberto Balzaretti gegen Unterhändlerin Livia Leu auszutauschen, wenn der Weg der gleiche bleibt?»

«Cassis soll sich dafür einsetzen, dass der Bundesrat vom Rahmenabkommen abkommt und auf ein modernes Freihandelsabkommen setzt», fordert der neue SVP-Chef. «Herr Bundesrat, drücken Sie endlich die Reset-Taste!»

Souveränitätsfrage «bedeutsam»

Das «Aussendepartement nimmt zu Chiesas Vorwürfen keine Stellung. Es schreibt auf Anfrage: «Der Bundesrat hat am 11. November 2020 seine Position festgelegt und mit der EU Kontakt aufgenommen.» Er werde das institutionelle Abkommen nur unterzeichnen, wenn für die drei offenen Punkte zufriedenstellende Lösungen vorlägen und er das Verhandlungsergebnis als ausgewogen erachte. Und: «Die Souveränitätsfrage war für den Bundesrat von Anfang an bedeutsam.»

Was Chiesa zudem verschweigt: Die Briten haben mit ihrem Brexit-Deal auf die Teilnahme am EU-Binnenmarkt verzichtet, die Schweiz will das nicht. Zudem gilt das Handelsabkommen zwischen Brüssel und London nur für Güter – und nicht für Dienstleistungen, die für die Schweiz sehr wichtig sind.


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