Aus Angst vor Konsequenzen
Viele Migranten verzichten auf Sozialhilfe

Viele Migranten und Sans-Papiers trauen sich nicht, Sozialhilfe zu beziehen. Grund: Sie fürchten sich vor einer möglichen Abschiebung. Die Eidgenössische Migrationskommission kritisiert das.
Publiziert: 07.04.2023 um 15:44 Uhr
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Aktualisiert: 07.04.2023 um 16:16 Uhr

Sans-Papiers und Migranten beziehen oftmals aus Angst vor einer Ausweisung keine Sozialhilfe – obwohl sie zumeist unter der Armutsgrenze leben. Jetzt will die Politik helfen.

Die Eidgenössische Migrationskommission (EKM) beschäftigte sich an ihrer Jahreskonferenz am Donnerstag in Bern mit diesem Thema. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (59) machte sich in ihrer Auftaktrede für mehr Hilfe für die Ärmsten der Armen stark. Ein Sozialhilfebezug sei stets mit Scham verbunden. Ausserdem sei Sozialhilfe verfassungsrechtlich garantiert und Armut kein Verbrechen, so die SP-Bundesrätin.

EKM prangert Ungleichheit an

Die Auswirkungen der Ausländergesetzgebung auf von Armut betroffene Migrantinnen und Migranten werfen integrationspolitische und verfassungsrechtliche Fragen punkto Ungleichheit auf. Verschiedene Forschende und Fachleute aus der Praxis stellten Erkenntnisse zu den Hürden beim Sozialhilfebezug vor. So zeigte ein Genfer Projekt die Auswirkungen auf Leben und Gesundheit bei neu regularisierten Personen auf.

Viele Sans-Papiers und Migranten stehen lieber für ihr Essen an, als Sozialhilfe zu beziehen. Im Foto die Schlange einer Essensausgabe in Zürich.
Foto: Michael Calabro
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Seit 2019 können die Behörden Ausländerinnen und Ausländern, die Sozialhilfe beziehen, die Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligungen verweigern. Das führte dazu, dass der Sozialhilfebezug durch die ausländische Wohnbevölkerung gesunken ist, während jener der Schweizer gleich blieb.

Zwei neue Pilotversuche in Zürich

Auch die Stadt Zürich macht einen neuen Versuch bei der Unterstützung: Nachdem die «wirtschaftliche Basishilfe» von Stadtrat Raphael Golta (47, SP) im Jahr 2021 an rechtlichen Hürden gescheitert ist, startet nun eine Verbindung von SP, Grünen und AL einen neuen Anlauf im Gemeinderat, schreibt der «Tages-Anzeiger».

In einem Pilotversuch stellt die Stadt Zürich über die nächsten drei Jahre insgesamt 5,4 Millionen Franken für die wirtschaftliche Basishilfe bereit. «So schliessen wir eine Lücke im Sozialsystem und lindern akute Notsituationen», sagte Hannah Locher (33, SP).

Auch über dieses Projekt dürften die Gerichte entscheiden. Denn die bürgerlichen Parteien berufen sich darauf, dass die Hilfe für Sans-Papiers in Bundesgesetzen geregelt ist. Und die kantonale Hilfe untergrabe dieses Gesetz. «Das Anliegen verstösst mehrfach gegen übergeordnetes Recht», sagte Mélissa Dufournet (34) von der FDP. (SDA/shq)

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