«Wir brauchen jetzt die Armee»
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«Herr Müller» 1980 beim SRF:«Wir brauchen jetzt die Armee»

Anarchist ohne Berührungsangst
Fredy Meier aka «Herr Müller» ist tot

Fredy Meier, der zum Gesicht der Jugendunruhen von 1980 in Zürich wurde, ist dieses Wochenende verstorben. Als «Herr Müller» sorgte er für den womöglich grössten Skandal der Schweizer TV-Geschichte. Doch seine Generation hat die Stadt auch nachhaltig verändert.
Publiziert: 03.07.2023 um 17:29 Uhr
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Aktualisiert: 04.07.2023 um 10:32 Uhr
Dominique Schlund

Er war eine der treibenden Kräfte bei den Jugendunruhen von 1980 in Zürich – nun ist Fredy Meier (67), besser bekannt als «Herr Müller», gestorben. Er erlag dieses Wochenende den Folgen eines schweren Hirnschlags. Sich selber bezeichnete er als «linker Kampf-Anarchist ohne Berührungsängste». Diesem Credo blieb Meier bis zum Schluss treu.

Nationale Berühmtheit erlangte er durch seinen Fernsehauftritt in der SRF-Talkshow «CH-Magazin» vom 15. Juli 1980. Gemeinsam mit seiner Mitstreiterin Hayat Jamal Aldin sollte er die jungen Demonstranten vertreten, die in den in Wochen davor in den «Opernhaus-Krawallen» für mehr Freiraum gekämpft hatten.

Stattdessen jedoch schlüpften die beiden in die Rolle von «Herr und Frau Müller», eine sarkastische Überzeichnung der konservativen Bürgerlichen, gegen die die Zürcher Jugend antrat. Die Müllers forderten unter anderem: «Ohne Armee kommen wir dieser Jugendbewegung nicht mehr bei.»

Er war einer der prägenden Figuren der 80er-Unruhen in Zürich – Fredy Meier (67) ist tot.
Foto: Keystone
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«Anarchie» im SRF-Studio

Der Auftritt von «Herr und Frau Müller» im SRF-Studio gilt bis heute als einer der grössten TV-Skandale unseres Landes. Statt die Forderungen der Jugend vorzutragen und mit dem ebenfalls im Studio anwesenden Zürcher Polizeivorsteher Hans Frick (93, damals LdU) zu debattierten, provozierten die beiden jungen Aktivisten.

Mit Aussagen wie «Ich wäre dafür, dass man zu Napalm greift beim nächsten Mal» oder «Ich hoffe, diese CB-Granate ist wirklich krebsfördernd» drehte das Duo die Positionen aus dem bürgerlichen Lager ins Absurde.

Frick hatte wenig Verständnis für das Spiel der zwei jungen Aktivisten. «Die Damen und Herren nutzen diese Sendung nur, um sich lächerlich zu machen und um zu provozieren», schimpfte er im SRF-Studio.

Doch der Auftritt verfehlte sein Ziel nicht: «Wir konnten die geplanten Themen einbringen, während die Gegenseite mit unserem Auftritt absolut nicht umgehen konnte», sagte Meier 40 Jahre nach der Sendung in einem Interview bei «Blue-News».

Verständnis für Klimajugend und politische Gegner

Seiner linken Gesinnung blieb Künstler und Filmemacher Fredy Meier sein Leben lang treu. Bis zu seinem Tod engagierte er sich in der Stadt Zürich und nahm auch an Klimademonstrationen teil. Darauf angesprochen, was er 40 Jahre später von seinen Aktionen denkt, sagte Meier: «Ich finde noch heute, es waren gute und richtige Aktionen.»

Meier bezahlte einen Preis dafür. Nach seinem Auftritt stürzte sich die Zürcher Justiz auf ihn, trug Vorwürfe zusammen und steckte ihn für 14 Monate ins Gefängnis. Einen Groll gegen seine Gegner hegte er danach jedoch nicht. Im Gegenteil: Meier pflegte eine gute Beziehung zu Willy Schaffner (73), der als Polizeispitzel die Jugendbewegung unterwandert hatte. Für viele seiner Weggefährten ein absolutes No-Go.

Trotz – oder vielleicht auch wegen – Krawalle und TV-Skandal: Fredy Meier und die 80er-Generation erschütterten die graue Limmatstadt in ihren Grundfesten. Und halfen mit, Zürich zur bunten Mini-Metropole zu machen, die sie heute ist.

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