Ab 1. Januar ist Schluss mit Covid-Gratistests
Kommt nun der Corona-Blindflug?

Wer sich auf das Coronavirus testen lässt, muss dies ab nächster Woche selber zahlen. Nur bei einer ärztlichen Anordnung springt die Krankenkasse ein. Mit dem Aus der Gratistests gewinnen andere Überwachungsmethoden an Bedeutung.
Publiziert: 30.12.2022 um 13:49 Uhr
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Wer sich künftig eine Corona-Impfung verpassen lässt, kann auch 2023 auf Vater Staat zählen. Der Piks bleibt gratis. Nicht so der Corona-Test. Ab 1. Januar ist Schluss mit den Gratistests.

Nur bei ärztlicher Anordnung zahlt die Krankenkasse – aber nur, wenn es darum geht, allenfalls ein antivirales Covid-Arzneimittel zu verschreiben. Doch auch da muss man möglicherweise wegen Selbstbehalt und Franchise noch in die eigene Tasche greifen.

Dunkelziffer steigt

Das neue Kostenregime hat Folgen: Schon jetzt schliessen reihenweise Testcenter, die Testzahlen gehen zurück. Damit wird auch die Zahl der bestätigten Neuansteckungen sinken.

Ab 2023 ist Schluss mit Corona-Gratistests.
Foto: LAURENT GILLIERON
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Der Trend dürfte sich nächstes Jahr verschärfen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) rechnet «mit einer erheblichen Reduktion des Testangebots und der Anzahl der durchgeführten Tests», sagt Sprecher Simon Ming. «Wir gehen bezüglich der gemeldeten Fallzahlen von einer abermals deutlichen Erhöhung der Dunkelziffer aus.»

Abrupter Systemwechsel «nicht optimal»

Das bringt auch ein gewisses Risiko mit sich, sagt der oberste Kantonsarzt Rudolf Hauri (62). «Die akute Phase der Pandemie liegt sicherlich hinter uns.» Aufgrund der tiefen Booster-Nachfrage – gerade bei besonders gefährdeten Personen – müsse das nach wie vor labile Infektionsgeschehen in diesem Winter aber immer noch aufmerksam beobachtet werden.

«Der auch für die Bevölkerung abrupte Systemwechsel in der Testkostenfinanzierung in der kalten Jahreszeit ist daher nicht optimal», meint der Zuger Kantonsarzt. «Eine Verlängerung der bisherigen Testfinanzierung bis etwa Ende März 2023 hätte sich denn auch gut begründen lassen.»

Abwasserkontrolle wird wichtiger

Befinden wir uns also ab 2023 wieder im Pandemie-Blindflug? So schlimm dürfte es nicht kommen. Denn es gibt weitere Überwachungselemente, welche das Infektionsgeschehen widerspiegeln. «Insofern befinden wir uns nicht in einem Blindflug», betont Hauri.

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Während die Tests als Überwachungselement der epidemiologischen Situation an Stellenwert verliert, rückt nun die Abwasserkontrolle noch stärker in den Vordergrund. «Das im Verlauf der Pandemie gut entwickelte Abwassermonitoring und die damit gesammelte Erfahrung helfen uns wesentlich für die weitere Einschätzung der Lageentwicklung und Lagebeurteilung», sagt Hauri.

Messungen bei 50 Kläranlagen

Ähnlich tönt es beim BAG. «Seit der Aufhebung der besonderen Lage im April 2022 hat Einschätzung der relativen Viruslast aus dem Abwasser an Bedeutung gewonnen», sagt Sprecher Ming. Zwar wird auch das Abwassermonitoring nächstes Jahr aus Kostengründen reduziert, doch noch immer wird in 50 Kläranlagen die Viruslast gemessen. «Auch in Zukunft wird das nationale Abwassermonitoring eine zentrale Rolle bei der Beurteilung von Sars-Cov2 und auch weiteren Erregern spielen», so Ming.

Auch für Biostatistikerin Tanja Stadler (41), die früher als Präsidentin der Corona-Taskforce amtete, spielt das Abwassermonitoring eine wichtige Rolle, weil es «uns sehr direkt Informationen über die Entwicklung der Pandemie gibt».

Weitere Indikatoren helfen

Doch es gibt noch weitere Indikatoren, aus denen sich Rückschlüsse auf den Pandemieverlauf ziehen lassen. So etwa das Sentinella-Meldesystem mit Informationen von Hausarztpraxen oder die Überwachung der Virenvarianten durch Sequenzierung.

«Auch die Zahl der Hospitalisierungen ist informativ», sagt Stadler. «Jedoch zeigen diese die Entwicklung der Pandemie etwas zeitverzögert an, da von der Infektion bis zur Meldung der Hospitalisierung meist ein paar Wochen vergehen.»

Hauri: «Keine neue Welle»

Die neusten Zahlen zeigen einen erneuten Rückgang der bestätigten Neuansteckungen. Am Donnerstag vermeldete das BAG 12'632 neue Fälle für die letzten neun Tage. Noch immer ist mehr als jeder fünfte Test positiv – die Dunkelziffer bleibt hoch.

«Nach einem Rückgang deuten die Abwasserdaten darauf hin, dass die Zirkulation des Virus wieder zunimmt, was auf die Verbreitung der neuen Variante BQ.1.1 zurückzuführen sein könnte», sagt Stadler. Mit Blick auf die letzte Herbstwelle ist für sie klar: «Solche Wellen werden in Zukunft immer wieder kommen, ausgelöst durch neue Varianten oder die Saisonalität im Herbst und im Winter.»

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Kantonsarzt Hauri hält es derweil für wichtig, beim Abwassermonitoring das Augenmerk vor allem auf das längerfristige Ergebnis und nicht auf kurzfristige Schwankungen einzelner Messstellen in die eine oder andere Richtung zu legen. Für den Moment gibt er deshalb Entwarnung: «Derzeit ergeben die regelmässigen Proben aus den Abwassersammelstellen nun mit Gewissheit ein stabiles Bild: Es kündigt sich keine neue Welle an.»

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