«Plötzlich hatte ich 10'000 Franken Spielschulden!»
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Teure Panne bei Online-Casinos
«Plötzlich hatte ich 10'000 Franken Spielschulden!»

Tausende Zocker haben in Schweizer Online-Casinos gespielt. Ein Grossteil der Einsätze wurden auf ihren Posfinance-Konti aber nicht ausgebucht. Die Spieler gingen also davon aus, noch flüssig zu sein. Bis Tage später die böse Überraschung kam.
Publiziert: 19.06.2020 um 12:01 Uhr
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Aktualisiert: 13.10.2020 um 19:45 Uhr
Franziska Scheven und Patrik Berger

Marco Haupt (41) checkt am 8. Juni nichtsahnend den Stand seines Konto bei der Postfinance. Es trifft ihn fast der Schlag, er ist gewaltig in den Miesen. «Plötzlich hatte ich 10'000 Franken Spielschulden!» Der Service-Techniker kann sich das nicht erklären.

«Ich habe in den Tagen zuvor nichts Grosses gekauft. Mein Konto noch nie überzogen», sagt er zu BLICK. Zudem hat er eine Sperre, die es gar nicht ermöglicht, mehr abzuheben, als er hat. «So hatte ich immer die Kontrolle über meine Ausgaben.»

Haupt zockt am Feierabend gern auf Portalen von Online-Casinos. Mal gewinnt er, dann verliert er wieder. Alles im Rahmen. Auf seinem Account hat er immer genügend Geld, um zu spielen. Vor allem auf den Online-Casinos Jackpots.ch vom Casino Baden AG und 777.ch, das zum Casino Davos GR gehört. Sie sind mit seinem Postfinance-Konto verbunden.

Marco Haupt hatte vorher nie Schulden. Jetzt hat er ein fettes Minus von 10'000 Franken.
Foto: Franziska Scheven
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Ärgerlicher Softwarefehler

Und da liegt auch der Grund für die plötzlich aufgetretenen Spielschulden von 10'000 Franken: Wegen eines Software-Fehlers bei einem externen Zahlungsverarbeiter der Casinos wurden die gespielten Beträge während Wochen nur gelegentlich abgebucht. Haupt konnte also friedlich weiterzocken, obwohl er längst Tausende von Franken verloren hat.

Bis am verhängnisvollen 8. Juni. Die Casino-Gruppe holt das bereits verspielte Geld auf einen Schlag vom Konto. Postfinance lässt dies zu. Die Überziehungsbremse ist ausgesetzt. «Unser Kontrollmechanismus hat nicht funktioniert», sagt Sprecherin Tatjana Guggisberg zu BLICK.

Haupt ist nicht alleine mit dem Problem. Über tausend Spieler sind betroffen. So auch Anke (52) und Thomas D. (54)* aus Bern. Anke D. steht mit 14'500 Franken im Minus. Das Paar lässt sich das nicht gefallen. Mit anderen Betroffenen hat es eine Facebook-Gruppe gegründet und einen Anwalt genommen. «Das Ganze ist grosser Bschiss, wir wollen gemeinsam klagen», heisst es in einem Post.

«2200 Franken sind ein Witz!»

Postfinance will ihren Kunden entgegenkommen. Sie werden keine Schuldzinsen von 9,5 Prozent bezahlen müssen. Ausserdem wird ihnen eine individuelle Beratung zum Abbau der Schulden angeboten, und die Frist dafür entsprechend verlängert. Die Opfer akzeptieren diesen Vorschlag nicht.

Und das Casino Baden? Es bietet Anke und Thomas D. 2200 Franken. Aus Kulanz. Das bringt die beiden auf die Palme. «2200 Franken sind ein Witz! Wir haben schliesslich unverschuldet 14'500 Franken Schulden.»

«Jeder Kunde hat sämtliche Überweisungen autorisiert und freigegeben», sagt Casino-Sprecher Beat Lehmann zu BLICK. «Das Geld wurde auf das Spielkonto überwiesen. Darum ist es aus unserer Sicht legitim.»

Pikant: Das System funktionierte nur teilweise nicht. «Es haben einzelne Abbuchungen in dem Zeitraum stattgefunden», so Lehmann. Das sahen auch die Kunden. Man habe immer wieder Jackpot-Abzüge gesehen und darum erst recht keinen Fehler im System vermutet, so die Betroffenen. «Ich habe mir keine Gedanken gemacht», so Anke D. «Schliesslich waren da Abbuchungen, auf die Postfinance kann man sich ja eigentlich verlassen.»


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