Stornierungen, Verluste in Milliardenhöhe, kaum neue Buchungen
So schlecht geht es der Tourismusbranche wirklich

Der Schweizer Tourismus macht wegen der Corona-Krise dramatische Zeiten durch. Eine breit abgestützte Studie zeigt, wie gross die Probleme wirklich sind. Patrick Hauser, Inhaber vom Luzerner Hotel Schweizerhof, führt BLICK durch sein traditionsreiches, aber leeres Haus.
Publiziert: 01.05.2020 um 07:52 Uhr
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Aktualisiert: 17.07.2020 um 20:00 Uhr
So schlecht geht es der Tourismusbranche wirklich
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Verluste in Milliardenhöhe:So schlecht geht es der Tourismusbranche wirklich
Patrik Berger und Matthias Kempf

Jetzt geht es plötzlich schneller als gedacht. Die am Mittwoch präsentierten Lockerungen des Lockdowns sind ein Lichtblick für die Tourismusbranche. Die beiden Bundesrätinnen Karin Keller-Sutter (56) und Viola Amherd (57) haben an einer Medienkonferenz publikumswirksam zu Ferien in der Schweiz aufgerufen. Das sollte im Sommer möglich sein, sagen sie.

Die Tourismusbranche kann diesen bundesrätlichen Werbespot gut gebrauchen. Eine Umfrage vom Institut für Tourismus der Hochschule für Wirtschaft Wallis, bei über 3500 Betrieben wie Hotels, Parahotellerie, Bergbahnen und Restaurants, die am 11. Mai wieder Gäste empfangen dürfen, zeigt eindrücklich, wie schlecht es der Tourismusbranche wegen der Corona-Krise tatsächlich geht.

Die Lage ist dramatisch. 60 Prozent der Schweizer Hotels sind wegen Corona geschlossen. Diejenigen, die geöffnet haben, leiden unter Gästen, die ihre Reisen nicht antreten. Im Mai und Juni 2020 wurden im Schnitt 75 Prozent der Reservierungen storniert.

140 Angestellte in Kurzarbeit

Seit dem 21. April ist das Fünf-Sterne-Hotel Schweizerhof in Luzern mit seinen 101 Zimmern geschlossen. Ein Grossteil der 140 Angestellten hat Kurzarbeit. Die Situation ist ernst. «Ich gehe davon aus, dass wir dieses Jahr nur die Hälfte des normalen Umsatzes machen. Das ist einschneidend. So etwas kann man auch nicht schnell kompensieren», sagt Inhaber Patrick Hauser (57).

Patrick Hauser (57) hat den Schweizerhof seit 21. April geschlossen.
Foto: Matthias Kempf
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«Normal haben wir zwölf Prozent Schweizer Gäste. Diese Zahl wollen wir nun vervielfachen», so Hauser, der dem Vorstand des Branchenverbands Hotellerie Suisse angehört. Bis jetzt hätten Schweizer aber noch nicht im grossen Stil gebucht für die Sommermonate. «Immerhin, jetzt, wo man weiss, dass man ab dem 11. Mai auch wieder ein Restaurant besuchen kann, erwarten wir eine Zunahme der Buchungen.»

Zudem hofft Hauser, dass es bald zu weiteren Lockerungen kommt. «Es wäre schön, wenn wir bald wieder Geburtstagsfeiern, Hochzeiten und Firmenanlässe ausrichten dürften», sagt der Hotelier. «Das wäre für uns aber auch für die ganze Branche ein ganz wichtiger Schritt.»

Nur 24 Prozent der Zimmer gebucht

Die Corona-Krise führt zu einem historischen Tiefstand bei der Auslastung. Im April wird schweizweit mit einer Belegung von lediglich 8 Prozent gerechnet. Im Mai mit einer Auslastung von 9 Prozent. Immerhin: Im Juni sieht es mit einer Belegung von 23 Prozent etwas besser aus. In den klassischen Sommerferien-Monaten Juli und August haben die Hoteliers erst 24 Prozent der Zimmer verkauft.

Viele Schweizer scheinen mit dem Buchen von Ferien in den Bergen also noch abzuwarten. Zumal noch immer nicht klar ist, wann die Seilbahnen wieder fahren. «Wir können dies absolut nicht verstehen», sagt Andreas Keller, Leiter Kommunikation von Seilbahnen Schweiz, zu BLICK. Die Seilbahnbesitzer hätten den Betrieb gerne am 11. Mai wieder hochgefahren, zusammen mit dem öffentlichen Verkehr und den Restaurants.

Grosse Unsicherheiten bei Seilbahnen

«Nun hoffen wir, dass wir ab dem 8. Juni öffnen dürfen», sagt Keller. Man arbeite intensiv an einem Schutzkonzept für die Angestellten und die Gäste. «Das ist nicht ganz einfach, weil es zwischen einem Sessellift und einer grossen Gondel grosse Unterschiede gibt.» Klar ist jetzt schon, dass die Bahnen zu Beginn nicht so viele Passagiere befördern werden wie sie könnten.

Bis Ende April haben die Seilbahnen wegen der Corona-Krise 308 Millionen Franken verloren. Ausgehend von einem jährlichen Umsatz der Schweizer Hotelbranche von 10,2 Milliarden Franken erwarten die Experten alleine von März bis Juni einen Umsatzverlust von knapp 2,5 Milliarden Franken. Dem gesamtschweizerischen Tourismus sollen durch das Coronavirus bis Ende Jahr 8,7 Milliarden Franken entgehen.

Trotz Kurzarbeitsentschädigung und Überbrückungskrediten droht vielen Betrieben das Aus. 23 Prozent der befragten Unternehmen schätzen das Konkursrisiko als hoch ein. Betroffen sind vor allem die Westschweiz, das Tessin und die Region Basel.

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