Feuer unterm Dach beim Hanfzigi-Pionier
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«Heimat»-Fabrikant verschuldet:Hanf-Pionier fehlt eine Million Franken

Roger Koch (45) droht mit «Heimat» die Pleite
Feuer unterm Dach beim Hanfzigi-Pionier

Einst Hanf-Pionier, jetzt kurz vor dem Konkurs: «Heimat»-Fabrikant Roger Koch wehrt sich gegen die Pleite. In wenigen Tagen findet die wegweisende Gerichtsverhandlung statt.
Publiziert: 07.09.2020 um 00:28 Uhr
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Aktualisiert: 01.01.2021 um 09:18 Uhr
Marc Iseli

In diesen Tagen entscheidet sich das Schicksal der Hanfzigi-Firma Koch & Gsell in Steinach SG. Das Unternehmen ächzt unter einer millionenschweren Schuldenlast. Über Jahre türmten sich die Verluste auf. Rechnungen von Steuerbehörde und Zoll wurden nicht bezahlt. Lieferanten blieben auf ihren Forderungen sitzen. Einem Hanfbauern, der den 300-jährigen Hof in neunter Generation führt, fehlt eine Million im Portemonnaie.

Im Zentrum des Wirtschaftskrimis steht Roger Koch (45), fünffacher Vater, Sohn eines ehemaligen CVP-Regierungsrats, ausgebildeter Sekundarlehrer, Unternehmer, Hanf-Pionier. Seit 2015 ist er im Tabakbusiness, seit 2017 auch im Hanfbusiness. Die weltweit erste und völlig legale Tabak-Hanf-Zigarette hat ihn und die Marke «Heimat» rund um den Globus bekannt gemacht.

Unterm Strich blieb aber nur wenig liegen. Jahrelang hat die Firma rote Zahlen geschrieben. Schliesslich war der Gang zum Richter unausweichlich. Das Kreisgericht Rorschach SG verhängte im September 2019 die Nachlassstundung, weil die Schuldenlast erdrückend war. Seither laufen die Verhandlungen mit den Gläubigern über einen Schuldenschnitt.

Roger Koch, fünffacher Vater, Unternehmer. Bald Pleitier?
Foto: Keystone
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Über ein Dutzend Gläubiger

Der Bund spielt dabei eine zentrale Rolle. Laut vertraulichen Unterlagen aus dem Verfahren fordert allein die Eidgenössische Zollverwaltung über sechs Millionen Franken von der Firma, die Steuerverwaltung weitere 510'000 Franken. Hanfbauern sind um sechsstellige Summen geprellt. Ein Maschinenlieferant will mindestens eine halbe Million Franken. Ein ehemaliger Angestellter macht über 70’000 Franken geltend. Ein externer Projektmanager sitzt auf einer Forderung von über 30'000 Franken.

«Das Unternehmen war vom ersten Tag an defizitär»
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Gläubiger sieht schwarz:«Das Unternehmen war vom ersten Tag an defizitär»

Über ein Dutzend Gläubiger sind aktenkundig, darunter auch eine Coop-Tochter und der Tabak-Riese British American Tobacco. Aber der mit Abstand grösste Gläubiger ist der Bund. Und trotz monatelangen Ringens hat die Eidgenossenschaft bislang keinen Forderungsverzicht angemeldet. Man sei aktuell im «Schlussspurt mit der Oberzolldirektion», sagt Koch zu BLICK. Aber: «Da ein Entscheider der Oberzolldirektion in den Ferien ist, können die finalen Gespräche erst diese Woche geführt und eine Entscheidung gefällt werden.»

Es war von Anfang an eine «Durchwurstelei» bei Koch & Gsell. So hat es der Tabakunternehmer an einer Tagung im letzten Jahr selber beschrieben. Die Kooperation mit einem rumänischen Geschäftspartner erwies sich als chaotisch. Die produzierten Zigaretten waren entweder betonhart gestopft, oder der Tabak bröselte einfach so raus. Die Verkaufszahlen: «lausig».

Fabrikant im Paragrafen-Dschungel

Koch kämpfte auch gegen die Bürokratie. Die Regeldichte in der Industrie stellte ihn wieder und wieder vor grosse Herausforderungen. Die Steuern lasteten auf Bilanz und Erfolgsrechnung. Das Experimentieren mit einer Hanfzigarette wurde schliesslich zum finanziellen Desaster. Die Betreibungen flatterten im Dutzend ins Haus.

Anfangs hoffte der Unternehmer auf einen Verkauf der Firma. Mit dem schnellen Cash wollte er die aufgestauten Rechnungen zahlen. Zum Geldregen kam es aber nie. Dreimal seien die Verträge bereits unterzeichnet gewesen, so Koch. «Doch floss das Geld nicht», so der Unternehmer. Investoren aus dem Baltikum haben sich demnach mit Verweis auf die Corona-Krise zurückgezogen. Eine Schweizer Investorin soll sich ebenfalls in letzter Sekunde verdrückt haben, «trotz unterzeichneter Verträge». Selbst ein Börsengang wurde ernsthaft geprüft und scheiterte. Auch hier sei die Tinte bereits trocken gewesen. Der Kapitalmarkt von Kanada sollte Fluchtpunkt sein.

«Fakt ist einfach, dass wir letztlich auf uns selbst zurückgeworfen waren», sagt Roger Koch. Seit Dezember 2019, versichert er, schreibe das Unternehmen schwarze Zahlen. Seither seien alle Rechnungen beglichen worden. Allein der Bund habe 2,5 Millionen Franken an Steuern erhalten. «Der Turnaround», so der einstige Lehrer, «ist geschafft, auch ohne Investoren.»

Prozess mit Nachspiel

Der Millionenschaden bleibt – und Koch zeigt Verständnis: «Ich bin mit sehr wenig Kapital, aber mit allem, was ich hatte, in das ganze Abenteuer gestartet.» Sein persönliches Ziel sei es, «dass die Gläubiger möglichst viel der offenen Forderungen beglichen bekommen. Es kann nicht sein, dass Menschen, die an uns geglaubt und uns vertraut haben, um ihr Geld gebracht werden.»

Am 18. September ist High Noon bei «Heimat». Dann findet die nächste Gerichtsverhandlung statt. Und dann wird klar sein, ob die Firma in den Konkurs geschickt wird oder mit einem Schuldenschnitt davonkommt. Eine Abzahlung von 75 Prozent der offenen Forderungen steht zur Diskussion. Bis zur Begleichung aller Schulden sollen kein Gewinn und keine Dividende fliessen. «Mit der Abzahlungsvariante können wir die Arbeitsplätze erhalten und weiterarbeiten», sagt Koch.

Die meisten Gläubiger, so heisst es weiter, hätten diesem Vertrag bereits zugestimmt. Gewisse Gläubiger, das ist aber auch klar, haben ihre Ablehnung kommuniziert. Sie beharren auf der ganzen Forderung. Schlimmer noch: Sie sprechen davon, womöglich ein weiteres Verfahren zu initiieren. Ein Strafverfahren. Gegen die Firma und gegen Roger Koch selber. Die Sache ist also noch lange nicht ausgestanden.

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