Händler muss bei Phase Blau seine Antiquitäten zurücklassen
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Händler aus Dorf neben Brienz:Er muss bei Phase Blau seine Antiquitäten zurücklassen

Restaurator Arno Cresta (62) zittert im Nachbardorf vor Phase Blau
«Wenn der Rutsch kommt, verliere ich meine Existenz»

Am Albula bereitet man die Phase Blau vor. Zwei Häuser ganz im Westen von Surava GR liegen dann ebenfalls im Gefahrenbereich. Ein Haus gehört dem Restaurator Arno Cresta (62). Er hat sich hier ein kleines Paradies aufgebaut. Blick hat den Mann besucht.
Publiziert: 17.05.2023 um 01:31 Uhr
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Aktualisiert: 17.05.2023 um 14:10 Uhr
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Beat MichelReporter

Dafür, dass er vermutlich schon bald sein Haus verlassen muss, ist Arno Cresta (62) erstaunlich gut gelaunt. Der Restaurator empfängt die Blick-Reporter in seinem schönen Haus in Surava GR. «Ich bin ein positiver Mensch, das lasse ich mir nicht so schnell nehmen», sagt er. «Ich habe volles Verständnis für die Massnahmen. Die Behörden haben bis jetzt einen tollen Job gemacht, sie haben mein Vertrauen.» Dann wird er aber ernst: «Ich hoffe, dass der Rutsch schnell kommt. Ich will so bald wie möglich wieder arbeiten.»

Der Künstler hat sich aus dem Haus am Dorfeingang von Surava mit Baujahr 1618 ein kleines Paradies geschaffen. Das Parterre hat er als Ausstellungsraum für seine restaurierten Antiquitäten eingerichtet. Man fühlt sich in eine längst vergangene Zeit zurückversetzt. Im hinteren Teil ist eine grosse Holz-Werkstatt. In der oberen Etage hat er einen wunderschönen Wohnbereich gestaltet. Eine künstlerisch wertvolle Mischung aus moderner Elektronik und Jahrhunderte alten Holzbalken, darüber eine gewölbte Decke aus Bruch-Steinen. Aus dem Fenster bergwärts sieht Cresta auf die Albula-Eisenbahnlinie und auf den Geröllhang oberhalb von Brienz GR.

Arno Cresta (62) im Austellungsraum in Surava GR. Bei Phase Blau muss er Haus und Atelier verlassen.
Foto: Beat Michel
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Beim Anblick des einsturzgefährdeten Hangs sagt er: «Ich schätze, dass wir zu 99 Prozent vom Bergsturz verschont bleiben.» Und er meint gar: «Ich habe hellseherische Fähigkeiten. Ich hoffe, dass ich mit meiner Vorahnung recht habe.» Denn: «Das ist meine Existenz, meine Passion.» Er sagt weiter: «Wenn der Rutsch bis hierherkommt, verliere ich mein Zuhause. Meine Familie lebt seit Generationen hier. Auch die acht Hektaren Land wären dann zerstört.»

Händler muss bei Phase Blau seine Antiquitäten zurücklassen
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Händler aus Dorf neben Brienz:Er muss bei Phase Blau seine Antiquitäten zurücklassen

Die Mauern sind sehr gut gebaut

Beruhigend findet er hingegen, dass sein Haus stabil gebaut ist: «Diese Mauern sind besser als jeder Betonbau. Sie halten einiges aus.» Das Grollen am Hang gehört für ihn zum Alltag. «Wir leben mit dem Geräusch, solange ich denken kann. Ich bin ein Naturmensch. Es stört mich nicht.»

Östlich von Brienz: Bei Phase Blau ist auch Surava betroffen.
Foto: swisstopo

Aber: Wenn die Behörden Phase Blau ausrufen, liegt sein Haus plötzlich in der Gefahrenzone. Er und seine Schwester, die im westlichen Flügel wohnt, ziehen dann zu Verwandten ins Dorf. Dass er dann nicht in sein Atelier kann, belastet ihn am meisten. Er sagt: «Ich habe auswärts noch ein paar Aufträge, aber ohne Werkstatt komme ich nicht weit. Die Arbeit ist meine Passion.»

Emotionale Bindung zu Brienz

Der Künstler kennt die Bewohner im evakuierten Brienz. Er leidet mit ihnen mit. «Wenn der Hang mit Schwung kommt, verlieren einige alles. Gerade die Bauern. Sie haben schon jetzt mit sich bewegenden Böden zu kämpfen. Wenn der Schutt kommt, müssen sie ganz von vorne beginnen.» Und: «Meine Vorfahren und auch jetzige Verwandte haben ihre Heimat in Brienz. Ich habe darum eine emotionale Bindung zum Dorf.»

Immerhin: Die Kühe von Brienz sind bereits in Sicherheit. Blick besuchte die Tiere in Cazis GR. Die Bauern berichten, es gehe ihnen gut. Sie leben in der Eventhalle «Bündner Arena», einem improvisierten Kuhhotel. Stallchef Adrian Raschle (29) sagt zu Blick: «Die Kühe sind sehr pflegeleicht. Der Aufwand hält sich in Grenzen. Da momentan sowieso Sommerpause ist, haben wir genügend Platz zur Verfügung. Wir mussten lediglich Stallpersonal und Futter organisieren.»

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