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GDK-Präsident zu den BAG-Empfehlungen
«Es ist nicht nötig, die Kantone aufzurütteln»

GDK-Präsident Lukas Engelberger (45) sieht die BAG-Empfehlungen als spontane Reaktion auf die steigenden Fallzahlen. Die Kantone bemühten sich um gute Lösungen.
Publiziert: 01.08.2020 um 23:25 Uhr
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Aktualisiert: 02.08.2020 um 08:00 Uhr
Interview: Sven Ziegler

Das BAG hat am Donnerstag überrascht, zum ersten Mal werden Empfehlungen an die Kantone herausgegeben. Wie haben Sie das aufgenommen?
Lukas Engelberger: Wir haben das in einer Sitzung am Donnerstagmorgen kurzfristig erfahren und verstehen es als eine spontane Reaktion auf die steigenden Fallzahlen von Mittwoch und Donnerstag. Vielleicht wurde am Donnerstag mit 200 Neuinfektionen auch eine psychologische Schwelle überschritten.

Übernehmen die Kantone jetzt diese Empfehlungen auch?
Wir sind im Moment daran, in der GDK zu diskutieren, wie genau das umgesetzt werden könnte. Das BAG wünscht von uns eine gewisse Koordination, diesem Wunsch wollen wir nachkommen. Allerdings haben wir nicht die Kompetenz, gesamtschweizerische Massnahmen festzulegen. Der Bund hat sich weit zurückgezogen – jetzt liegt die Hauptverantwortung bei den Kantonen. Verschiedene Kantone haben bereits weitergehende Massnahmen ergriffen.

Bis wann legen Sie einen konkreten Plan vor?
Ich verstehe, dass das Sorgenbarometer beim Bund gestiegen ist. Die Situation ist ernst, aber gerade deshalb sollten wir uns nicht aus dem Konzept bringen lassen. Überhastetes Agieren macht keinen Sinn. Ich gehe davon aus, dass wir im Verlauf der kommenden Woche mehr Klarheit schaffen können.

GDK-Präsident Lukas Engelberger sieht keinen unmittelbaren Handlungsbedarf.
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Sind auch noch weitergehende Massnahmen als die Vorschläge des BAG vom Donnerstag denkbar?
Wir müssen viel Flexibilität an den Tag legen. Die Situation verändert sich laufend und mit dieser Offenheit müssen wir an diese Herausforderung herangehen. Es gibt keine Pandemie-Schablone. Niemand von uns weiss, wie sich die Situation in den kommenden Monaten entwickeln wird. Die Massnahmen, die wir jetzt treffen, müssen für längere Zeit durchsetzbar sein, wenn nötig auch über mehrere Monate. Wenn die Zahlen steigen, sind auch weitergehende Massnahmen denkbar. Eine verbindliche Aussage ist aber aufgrund der aktuellen Situation nicht möglich.

Pascal Strupler sagte, er wolle die Kantone «aufrütteln». Ist das ein Zeichen dafür, dass die Kantone zu zögerlich agieren?
Ich will diese Aussage nicht zu stark interpretieren. Nach meinem Empfinden ist es nicht nötig, die Kantone aufzurütteln. Kein Kanton schläft.

Die Kantone hatten zwei Monate Zeit, sich vorzubereiten. Passiert ist relativ wenig.
Während der ausserordentlichen Lage waren die Kantone enorm gefordert. Viel Zeit zur Szenarienentwicklung hatten wir da nicht, die Zeit war sehr anstrengend. Die Vorstellung, dass wir mit fixfertigen Konzepten aus der ausserordentlichen Lage kommen konnten, ist nicht realistisch. Wir haben mögliche Szenarien analysiert und finden uns in der aktuellen Situation gut zurecht. Die Entwicklung überrascht uns nicht und wir müssen auch nicht die Notbremse ziehen. Wir müssen aber anerkennen, dass uns das Virus noch längere Zeit begleiten wird.»

Gibt es ein Kompetenzgerangel zwischen Bund und Kantonen?
Nein, wir arbeiten sehr gut mit dem Bund zusammen. Der Austausch ist intensiv und wertvoll. Manchmal gibt es Momente, die eine grössere Dynamik auslösen, das wird dann auch in der Öffentlichkeit sehr stark diskutiert. Die Kompetenzen sind klar verteilt. Wir merken, dass teilweise auch der Föderalismus in Frage gestellt wird, das irritiert mich. Der Föderalismus gehört zur Schweiz.

Wie alarmierend ist die aktuelle Situation?
Die Zahlen sind beunruhigend – vor allem mit Blick auf den langfristigen Trend, weniger unmittelbar für die nächsten Tage. Aktuell müssen nicht viele Leute hospitalisiert werden, allerdings steigen die Zahlen und das macht uns auch Sorgen. Wenn sich die Tendenz fortsetzt, kommen wir wieder in eine problematische Zone.

Die Klubs sind für das Virus offensichtlich ein gefundenes Fressen.
Die Daten des Bundes zu den Ansteckungsorten geben diesbezüglich tatsächlich Anlass zur Sorge. Wir haben in der Nordwestschweiz und anderen Kantonen schon Einschränkungen vorgenommen, das ist ein erster Schritt. Aus meiner Sicht wäre eine vollständige Schliessung eher riskant, denn dadurch könnte eine Ausweichwelle angestossen werden – dann gibt es beispielsweise illegale Partys im Untergrund. Mein persönlicher Eindruck ist, dass sich die Klubbetreiber gut an die Massnahmen halten.

Ist es aus Sicht der Kantone vorstellbar, dass der Bundesrat ein zweites Mal die ausserordentliche Lage ausruft? Dann verlieren Sie Ihre Kompetenzen erneut.
In der aktuellen Situation ist eine Veränderung der Lage kein Thema. Wir sind so aufgestellt, dass wir auch eine grössere Welle in der besonderen Lage bewältigen können. Der Bund hat aber immer noch weitreichende Kompetenzen. Wenn sich die Lage verschärft, wäre es sicher richtig, dass der Bund diese auch nutzen würde.

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