Experten schätzen die Lage ein – und geben Tipps
So wird der Corona-Winter

Die Zahl der Covid-Fälle steigt, neue Varianten breiten sich aus. Prominente Expertinnen und Experten wagen einen Ausblick – und geben Tipps, wie du gesund durch die kalte Jahreszeit kommst.
Publiziert: 21.10.2023 um 18:12 Uhr
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Aktualisiert: 21.10.2023 um 21:01 Uhr
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Fabian EberhardStv. Chefredaktor SonntagsBlick

Anne Lévy (52), Direktorin Bundesamt für Gesundheit (BAG)

«Die Informationen, die wir aus dem Abwasser und aus den Meldungen der Arztpraxen und Spitäler erhalten, zeigen, dass das Coronavirus immer noch zirkuliert. Das Virus macht nach wie vor krank, dank erhöhter Immunität verläuft die Krankheit jedoch meistens mild. Daher haben wir zurzeit auch keine Hinweise auf eine bedrohliche Belastung des Gesundheitssystems. Wir empfehlen, dass sich Personen ab 65 Jahren und solche mit bestimmten Vorerkrankungen gegen Covid impfen lassen, um das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf zu senken. Nebst dem Coronavirus zirkulieren im Winter vermehrt auch andere Viren wie beispielsweise Grippe oder RSV. Deshalb ist es am besten, bei Symptomen zu Hause zu bleiben. Wenn dies nicht möglich ist, dann sollte man aus Rücksicht aufeinander eine Maske tragen.»

Hendrik Streeck (46), deutscher Top-Virologe

«Das Virus war nie weg. Wir befinden uns quasi in einer Dauerwelle. Das Virus hat sich eingereiht mit allen anderen grippalen Infekten. Spätestens im Winter dürften die Fallzahlen wieder deutlich ansteigen. Mache ich mir deshalb Sorgen? Nein. In der Bevölkerung gibt es eine hohe Grundimmunität, fast jeder hatte Kontakt mit dem Virus, viele sind geimpft und hatten zusätzlich eine Infektion. Unser Körper kann dadurch viel besser mit dem Virus umgehen, auch mit den neuen Varianten. Die jetzt grassierenden Viren stecken zudem noch immer im Korsett der vergleichsweise milden Omikron-Variante. Die Situation in den Spitälern ist trotzdem angespannt. Nicht nur wegen Covid, sondern weil in der kalten Jahreszeit vieles zusammenkommt: die Grippe, RSV und der Fachkräftemangel. Mit Massnahmen rechne ich aber nicht. Das zu erwartende Krankheitsgeschehen rechtfertigt keine Einschränkungen des Alltags. Man kann nur zum gesunden Menschenverstand raten: Bleiben Sie zu Hause, wenn Sie krank sind. Müssen Sie trotzdem raus, zur Arbeit oder zum Einkaufen, dann kann man auf eine Maske zurückgreifen. Geben Sie acht auf Ihre Mitmenschen. Bei Menschen mit Vorerkrankungen und bei über Sechzigjährigen kann eine Auffrischimpfung gegen Corona Sinn machen. Fast wichtiger ist allerdings eine Impfung gegen die Influenza, die Grippe. Ich persönlich impfe mich in diesem Jahr nur gegen die Grippe.»

Anne Lévy, Direktorin des Bundesamts für Gesundheit (BAG).
Foto: Thomas Meier
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Urs Karrer (56), Chefarzt Infektiologie am Kantonsspital Winterthur ZH

«Im Herbst und Winter ist von einer deutlich verstärkten Viruszirkulation auszugehen. Ob es zehn Prozent der Bevölkerung treffen wird, wie bei einer durchschnittlichen Grippewelle, oder doch eher 20 bis 30 Prozent, lässt sich nicht seriös voraussagen. Eine massive Welle wie zu Beginn von Omikron Anfang 2021 halte ich aber für sehr unwahrscheinlich. Im Winter sind unsere Spitäler stark belastet durch Patientinnen und Patienten mit viralen Erkrankungen. Jede Infektionswelle kann das akzentuieren. Weniger im Bereich der Intensivmedizin, aber auf den Notfall- und Bettenstationen. Für die Entlastung der Spitäler wäre es enorm hilfreich, wenn sich möglichst viele Risikopersonen in den kommenden Wochen gegen Covid und Influenza impfen lassen würden. Eine aufgefrischte Immunität vermindert das Risiko auf einen Spitalaufenthalt deutlich. Allgemeine Massnahmen erwarte ich nicht. Falls die epidemiologische Entwicklung ähnlich verläuft wie auf der Südhalbkugel, könnte die Covid-Belastung geringer ausfallen als in den letzten zwei Wintern. Noch immer gilt aber: Wer Symptome hat, sollte andere Menschen nicht anstecken – also zu Hause bleiben und im Minimum eine Maske tragen. Risikopersonen sollten bei hoher Viruszirkulation in Innenräumen eine FFP-2 Maske tragen und sich bei Symptomen sofort testen lassen. So können sie bei einem positiven Test eine antivirale Frühtherapie beginnen.»

Rudolf Hauri (63), oberster Kantonsarzt

«Covid-19 ist noch da. Das zeigen die Abwasseranalysen, die Labormeldungen und die Beobachtungen der Spitäler. Die Häufigkeit schwerer Krankheitsverläufe und damit die Belastung des Gesundheitswesens dürften zwar wegen der inzwischen verbreiteten Immunität weit weg von vergangenen Erfahrungen bleiben. Generell rate ich dennoch allen besonders gefährdeten Personen zur Auffrischungsimpfung, denn sie müssen nach wie vor mit einem schweren Verlauf rechnen. Falls sie gefährdete Personen besuchen, macht es Sinn, eine Maske zu tragen. Eine Maske empfiehlt sich auch in engen Räumen oder vollen Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs. Bei Fieber sollte man zu Hause bleiben. Das gilt genauso bei Grippe. Flächendeckende Massnahmen der Behörden erwarte ich für diesen Winter nicht.»

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