«Ich habe den Glauben an den Rechtsstaat verloren»
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Nach Bauland-Rückzonung:«Ich habe den Glauben in den Rechtsstaat verloren»

Auch Vitznauer Holzbauer Pius Kneubühler (50) droht kalte Enteignung
«Ich habe den Glauben an den Rechtsstaat verloren»

Bundesbern fordert verdichtetes Bauen. Kantone und Gemeinden reagieren und machen aus Bauland wieder Landwirtschaftsflächen. Letztlich führt das zu Enteignungen. In Vitznau LU droht der Holzbaufirma Strüby jetzt ein Millionenschaden.
Publiziert: 22.06.2020 um 23:32 Uhr
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Aktualisiert: 21.02.2021 um 14:07 Uhr
Anian Heierli

Einen hohen einstelligen Millionenbetrag zahlte die Holzbaufirma Strüby im Januar 2018 für die Parzelle Semli in Vitznau LU. Doch nun droht ein massiver Wertverlust. Denn die 12'500 Quadratmeter Bauland sollen wieder zur Landwirtschaftszone werden. Die Gemeinde will so das neue Raumplanungsgesetz des Bundes von 2014 einhalten, wonach möglichst verdichtet gebaut werden muss. Die Krux: Landeigentümer werden dadurch enteignet, was schweizweit für rote Köpfe sorgt.

In der Innerschweiz ist die Firma Strüby mit ihren 320 Mitarbeitern eine der führenden Holzbaufirmen und ein wichtiger Arbeitgeber. CEO Pius Kneubühler (50) ärgert sich dementsprechend über den drohenden Verlust. Er versichert BLICK: «Wir sind keine Spekulanten. Als wir das Grundstück kauften, rechneten wir nicht mit der Auszonung.» Er erklärt warum: «Die Liegenschaft grenzt dreiseitig an Bauland und ist unmittelbar neben der Kernzone.»

Fakt ist: Das Raumplanungsgesetz lässt den Kantonen und Gemeinden wenig Spielraum. Laut Richtplan sind die Bauzonen in Vitznau überdimensioniert. Ein Abbau ist unvermeidbar. Dafür können aber die Grundeigentümer nichts. «Mich lässt dieses Vorgehen an der Rechtsstaatlichkeit zweifeln», so Kneubühler. «Ja, das darf als Enteignung bezeichnet werden.»

In der Gemeinde Vitznau LU wird um Bauland gestritten.
Foto: Anian Heierli
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Vitznau profitierte vom Verkauf

Besonders ärgerlich ist für die Firma Strüby auch, dass beim Kauf des Baulands satte 1,1 Millionen Franken Grundstücksgewinn und Handänderungssteuern an die Gemeinde und den Kanton flossen. Nur ein Jahr später wurde dann über die geplante Rückzonung informiert. Kneubühler will der Gemeinde aber nichts unterstellen: «Ich denke nicht, dass man dies beim Verkauf bereits wusste.»

Den Entscheid versteht er dennoch nicht. «Wir wollen keine Luxushäuser bauen», so der CEO. «Im Gegenteil! Geplant sind bezahlbare Alterswohnungen, ein öffentliches Café, ein dazugehöriger Coiffeursalon, eine Physiotherapie-Praxis und Sporträume.» Das sei ein nachhaltiges Projekt, das Generationen durchmische und letztlich den Zusammenhalt im Dorf fördere.

Er kann nicht verstehen, dass es keinen Kompromiss gibt. So hat es in Vitznau durchaus Bauzonen, die nicht dem neuen Siedlungskonzept zum Opfer fallen. «Fairer wäre es, wenn bei verschiedenen Parzellen jeweils nur ein Teil ausgezont wird», sagt Kneubühler. Die Firma Strüby wäre dazu bereit. Dass aber das komplette Landstück Semli wegfalle, sei ein «Schock».

«Es gibt viele kritische Stimmen im Dorf»

Am kommenden Sonntag stimmen die Vitznauer an der Urne über das neue Leitbild der Ortsplanung ab. Bei einem Nein müsste die Gemeinde nochmals über die Bücher. Kneubühler ist gespannt und guter Dinge: «Ja, es gibt viele kritische Stimmen im Dorf.» Falls die Parzelle dagegen ausgezont wird, gibt die Firma Strüby nicht auf. «Wir werden sämtliche rechtlichen Schritte einleiten, um eine finanzielle Entschädigung zu erhalten.»

Der Vitznauer Gemeindepräsident Herbert Imbach (52) bringt ein gewisses Verständnis für die Situation der Holzbaufirma auf. «Bei einer Rückzonung wird sich der Gemeinderat dafür einsetzen, dass gerechte Entschädigungs-Lösungen mit dem Kanton gefunden werden.» Er erklärt die Beweggründe hinter dem neuen Siedlungsleitbild: «Würde man in Vitznau alle heute noch eingezonten Wohnparzellen überbauen, hätten wir doppelt so viele Einwohner wie im Jahr 2000.»

Dank der Reduktion der Bauzonen soll das Wachstum erträglich bleiben. Gemeindepräsident Imbach betont: «Auch mit der Ablehnung des Siedlungsleitbilds würde sich die Situation der Firma Strüby kaum verbessern.» Denn mit der Abstimmung vom kommenden Sonntag stehe viel auf dem Spiel. «Mit einem Nein würde sich der Zeitdruck verstärken. Bis im Mai 2021 muss die revidierte Ortsplanung öffentlich aufliegen. Ansonsten ist diese nicht raumplanungskonform, was sämtliche Bauprojekte für Jahre blockieren könne.»

Umzonung vernichtet Hunderte Millionen

93 Fussballfelder – so viel überschüssiges Bauland muss der Kanton Luzern auszonen. 67 Hektar Bauland fallen der Revision des Raumplanungsgesetzes zum Opfer: Der Wert des Bodens sinkt. Im Kanton Luzern verteilen sich die 67 Hektaren auf 21 Gemeinden. Doch der Kanton ist nicht alleine. Auch viele andere mussten schlechte Nachrichten überbringen. Dazu zwei Beispiele:

2018 stimmte der Grosse Rat des Kantons Graubünden dem neuen Raumplanungsgesetz zu. 100 Hektar Bauland in über 60 Gemeinden waren zu viel. Kosten: rund 100 Millionen Franken, wie SRF schreibt. Wie in anderen Kantonen sollen die Kosten durch Einzonungen refinanziert werden. Geht Land nämlich den umgekehrten Weg und kommt neu in die Bauzone, steigert dies dessen Wert.

Schlechte Nachrichten gab es auch im Kanton Wallis. Vor einem Jahr gab die Gemeinde Brig-Glis bekannt, wo Bauland ausgezont werden soll. 18 Hektaren, also rund 25 Fussballfelder, waren betroffen. Laut Schätzungen kam es zu einem Wertverlust von 50 Millionen Franken. Tobias Bruggmann

93 Fussballfelder – so viel überschüssiges Bauland muss der Kanton Luzern auszonen. 67 Hektar Bauland fallen der Revision des Raumplanungsgesetzes zum Opfer: Der Wert des Bodens sinkt. Im Kanton Luzern verteilen sich die 67 Hektaren auf 21 Gemeinden. Doch der Kanton ist nicht alleine. Auch viele andere mussten schlechte Nachrichten überbringen. Dazu zwei Beispiele:

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