Millionen-Projekt ist plötzlich keinen Rappen mehr wert
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Wegen Umzonung:Millionen-Projekt mit Seeblick ist nichts mehr wert

Gemeinde zonte Grundstück von Architekt am Lago Maggiore um – klammheimlich
Millionen-Projekt ist plötzlich keinen Rappen mehr wert

Seit elf Jahren kämpft Federico Peter (62) aus Tenero TI um eine Entschädigung. Aus Bau- wurde Agrarland. Doch das kantonale Expropriationsgericht lässt den Architekten schmoren. «Allein die Anwaltskosten haben all meine Ersparnisse aufgefressen», so der Wahltessiner.
Publiziert: 21.06.2020 um 23:35 Uhr
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Aktualisiert: 27.10.2020 um 22:43 Uhr
Myrte Müller

Neun Luxuswohnungen am Berghang. Sonnenterrassen. Panoramablick über den Lago Maggiore. Das Projekt im Ortsteil mit dem zauberhaften Namen Bellavista von Vira Gambarogno TI sollte eine Traumimmobilie werden. Für Bauherr Federico Peter (62) wurde das Bauprojekt jedoch zu einem einzigen Albtraum, aus dem es kein Erwachen gibt. Heute ist das Land keinen Rappen mehr wert. Und die Anwaltskosten verschlangen alle seine Ersparnisse.

Alles begann hoffnungsvoll vor 20 Jahren. Federico Peter kauft 2400 Quadratmeter Baugrund für 450'000 Franken. Das Geld kommt von der Bank. 2005 wird eine Steuerschätzung vorgenommen, das Grundstück unverändert als Baugrund eingetragen. Der Architekt entwirft die Ferienresidenz, reicht 2006 den Bauantrag ein. Dieser wird von Kanton und Gemeinde bewilligt. Doch der Baubeginn verzögert sich, die Frist von zwei Jahren verfällt. Fatal, wie sich später herausstellt.

Staatsrat und Kantonsgericht lehnen Rekurs ab

Federico Peter stellt 2009 einen neuen Antrag. Was der Architekt nicht ahnt: Zur gleichen Zeit läuft in der Gemeinde ein Umzonungsverfahren. «Zufällig erfuhr mein Tessiner Bauunternehmer davon, als er die Baueingabe machen wollte», sagt der Zürcher heute. «Ich und auch alle anderen Anlieger und Besitzer wurden nie informiert.» Peter fällt aus allen Wolken: «Ich hatte sogar schon Käufer für die Wohnungen.» Nichts zu machen, sein Bauprojekt wird abgelehnt. Die Zukunft ist seitdem ungewiss.

Beliebtes Ferienziel: Das linksseitige Ufer des Lago Maggiore. An den Hängen entstanden viele Villen. Zu viele, fanden Bund, Kanton und Gemeinde und liessen Baugrund in Agrarland umzonen – zum Schaden der Grundstücksbesitzer.
Foto: Myrte Müller /zVg
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Der Bauherr will sich wehren, rekurriert gegen die Umzonung. Kantonsgericht und Regierungsrat weisen die Einsprachen ab. Sieben Jahre dauert der Kampf. Das herbe Ende 2011: Die Umzonung steht, das Grundstück ist ausgezont und völlig wertlos. Federico Peter bleibt auf der Hypothek sitzen: «Seit dem Grundstückskauf zahle ich 20'000 Franken jedes Jahr allein an Zinsen!» Er schaltet einen Anwalt ein, will nicht aufgeben. Der Rechtsstreit kostet ihn wiederum 200'000 Franken. «Dafür gingen all meine Ersparnisse drauf», sagt Peter. Der letzte Strohhalm: Seine Klage auf 868'000 Franken Entschädigung für die Materialenteignung.

Nach drei Jahren noch immer kein Urteil

Zuständig ist das Expropriationsgericht. Und das lässt sich jetzt seit über drei Jahren Zeit. «Dreimal waren Delegationen des Gerichts auf meinem Grundstück», sagt Peter. Doch: «Zu einem Entscheid sind sie bis heute nicht gekommen.» In seiner Verzweiflung wendet sich der Architekt mit persönlichen Schreiben an den Bundesrat. Erst an Justizministerin Simonetta Sommaruga, dann an ihre Nachfolgerin Karin Keller-Sutter. Beide zeigen ihm die kalte Schulter, verweisen auf die Gewaltentrennung und auf das Prinzip des Föderalismus. «Ich bin von den Schweizer Justizbehörden zutiefst enttäuscht», sagt der Architekt.

Dabei ging das Verhängnis von Bundesbern aus. Gemäss dem Raumplanungsgesetz (RPG) von 1979, dessen verschärfte Revision 2013 vom Schweizer Stimmvolk mehrheitlich angenommen wurde, werden die Kantone angehalten, Bauland zurückzuzonen. Auch Traumprojekte wie die von Federico Peter sind darunter.

«Die Kantone geben die Anweisungen an uns Gemeinden weiter», sagt Tiziano Ponti (61), Gemeindepräsident von Gambarogno. Und ergänzt: «Wir nehmen dann die Revision der Zonenpläne vor, die ohnehin alle 15 bis 20 Jahre geprüft werden. Wir haben uns an alle Vorschriften gehalten.»

Umzonungsopfer fordern 30 Mio. Franken Entschädigung

Federico Peter sei bei weitem nicht das einzige Umzonungsopfer, sagt der Gemeindepräsident. «Wir haben allein in Gambarogno 23 Grundstücke, die ausgezont wurden. Deren Besitzer klagen nun auf insgesamt 30 Millionen Franken Entschädigung für Materialenteignung. Die Gerichtsentscheide stehen noch aus.» Eins sei sicher, so Ponti: «Diese Summen könnten wir als Gemeinde gar nicht stemmen.»

Das ist Architekt Peter herzlich egal: «Ich werde weiterkämpfen – bis zum letzten Atemzug. Schliesslich leben wir hier doch in einem Rechtsstaat und nicht in einer Bananenrepublik.»

Doppeltes Pech

Es ist ein sperriger Begriff: Raumplanungsgesetz. Damit wird die Bodennutzung geregelt. Der Bund setzt die Leitplanken, umsetzen müssen sie Kantone und Gemeinden.

2013 stimmte das Volk zum letzten Mal über das Gesetz ab. Fälle wie jener von Federico Peter sollten damit verhindert werden. Es wurde nämlich eine sogenannte Mehrwertabgabe eingeführt. Die Idee: Grundstücke, die neu als Bauland eingezont werden, gewinnen an Wert – Bauland ist üblicherweise teurer als Landwirtschaftsland. Die Kantone sollen mindestens 20 Prozent des Mehrwertes abschöpfen. Und dieses Geld benutzen, um jene zu entschädigen, deren Land ausgezont wurde und die dadurch Geld verloren haben.

Obligatorische Entschädigung

Raimund Rodewald (60) erinnert sich noch an den Abstimmungskampf. «Zuvor war die Entschädigung freiwillig: Nur zwei Kantone, Basel und Neuenburg, haben es tatsächlich gemacht. Jetzt steht eine ‹Muss›-Formulierung im Gesetz», sagt der Geschäftsführer der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, die damals die Landschafts-Initiative mitlancierte. Diese wurde nach dem deutlichen Ja zum Raumplanungsgesetz zurückgezogen.

Sieben Jahre später ist das Gesetz in Kraft und in den Kantonen auch umgesetzt. Doch noch immer beschäftigen sich Gerichte mit der Mehrwertabgabe. «Es ist noch nicht ganz klar, wann wirklich gezahlt werden muss», so Rodewald. Entscheidend sei, wo das betreffende Land liege – ist es weit vom Ortszentrum entfernt und nicht erschlossen, gibt es kein Geld.

Federico Peter hat also doppeltes Pech: Sein Land wurde nicht nur umgezont, sondern im Jahr 2009 auch zu früh. Nur einige Jahre später wäre ihm möglicherweise ein mühseliger Rechtsstreit erspart geblieben. Tobias Bruggmann

Thomas Andenmatten

Es ist ein sperriger Begriff: Raumplanungsgesetz. Damit wird die Bodennutzung geregelt. Der Bund setzt die Leitplanken, umsetzen müssen sie Kantone und Gemeinden.

2013 stimmte das Volk zum letzten Mal über das Gesetz ab. Fälle wie jener von Federico Peter sollten damit verhindert werden. Es wurde nämlich eine sogenannte Mehrwertabgabe eingeführt. Die Idee: Grundstücke, die neu als Bauland eingezont werden, gewinnen an Wert – Bauland ist üblicherweise teurer als Landwirtschaftsland. Die Kantone sollen mindestens 20 Prozent des Mehrwertes abschöpfen. Und dieses Geld benutzen, um jene zu entschädigen, deren Land ausgezont wurde und die dadurch Geld verloren haben.

Obligatorische Entschädigung

Raimund Rodewald (60) erinnert sich noch an den Abstimmungskampf. «Zuvor war die Entschädigung freiwillig: Nur zwei Kantone, Basel und Neuenburg, haben es tatsächlich gemacht. Jetzt steht eine ‹Muss›-Formulierung im Gesetz», sagt der Geschäftsführer der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, die damals die Landschafts-Initiative mitlancierte. Diese wurde nach dem deutlichen Ja zum Raumplanungsgesetz zurückgezogen.

Sieben Jahre später ist das Gesetz in Kraft und in den Kantonen auch umgesetzt. Doch noch immer beschäftigen sich Gerichte mit der Mehrwertabgabe. «Es ist noch nicht ganz klar, wann wirklich gezahlt werden muss», so Rodewald. Entscheidend sei, wo das betreffende Land liege – ist es weit vom Ortszentrum entfernt und nicht erschlossen, gibt es kein Geld.

Federico Peter hat also doppeltes Pech: Sein Land wurde nicht nur umgezont, sondern im Jahr 2009 auch zu früh. Nur einige Jahre später wäre ihm möglicherweise ein mühseliger Rechtsstreit erspart geblieben. Tobias Bruggmann

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