Zoologisch – Direktor Severin Dressen erklärt
Warum Neu-Ankömmlinge zuerst abgesondert werden

Severin Dressen (32) ist Direktor des Zoos Zürich und kennt die wilden Geheimnisse seiner Bewohner.
Publiziert: 28.08.2021 um 19:26 Uhr
Severin Dressen

Kürzlich, an einem frühen Morgen im Zoo Zürich: Ein Transporter mit niederländischem Kennzeichen fährt auf das Betriebsgelände. Er gehört zu einer von nur ganz wenigen Firmen in Europa, die sich auf den Transport von Wildtieren spezialisiert haben. Und er bringt eine kostbare Fracht: unseren neuen Roten Panda Siddhi. In einem vollklimatisierten Raum hat das Katzenbären-Männchen die rund 900 Kilometer lange Fahrt aus dem tschechischen Brünn verbracht. Bei uns soll er nun im Rahmen des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms für Nachwuchs sorgen.

Doch noch weiss Siddhi nichts von seinem Glück. Der Transporteur öffnet die Heckklappe, löst die Sicherungen und trägt die stabile Transportkiste samt Panda zur Quarantäne- und Veterinärstation. Hier nimmt ihn das Team der Station in Empfang. Es prüft Siddhis Papiere und schaut, ob er den Transport unbeschadet überstanden hat.

Dann geht es – wie für alle Neuankömmlinge – für einige Wochen in die Quarantäne. So wird verhindert, dass neue Tiere Krankheiten in den Zoo bringen. Natürlich werden die Tiere auch bereits vor der Abfahrt in ihrem alten Zoo ausgiebig untersucht. Nur wenn sie kerngesund sind, machen sie sich überhaupt auf die Reise. Aber wie auch für uns Menschen bedeutet ein Umzug für Tiere immer etwas Stress. Der neue Ort sieht anders aus, er riecht anders, und das Futter schmeckt anders. Man muss sich an viel Neues gewöhnen.

Der Rote Panda Siddhi hat gerade eine Reise von 900 Kilometern hinter sich und schaut seines neues Zuhause an.
Foto: Enzo Franchini
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Der Stress eines Transports kann im Extremfall dazu führen, dass bei einem Tier Krankheiten ausbrechen, die man vorher nicht erkennen konnte. Deswegen steht in unserer Quarantänestation ein spezialisiertes Team aus Tierpflegerinnen und Tierpflegern sowie Tierärztinnen und Tierärzten zur Verfügung, das alle Tiere eng betreut. Die Tierpfleger und Tierärztinnen kontrollieren die Tiere regelmässig, beobachten ihr Verhalten und messen das Gewicht. Auch den Kot und manchmal ebenso das Blut überprüfen sie regelmässig auf Krankheitsspuren. Nur wenn ein Tier über mehrere Wochen keine Auffälligkeiten zeigt, darf es die Quarantänestation verlassen.

Diese Wartezeit nutzen wir aber noch zu etwas anderem. Bevor die Tiere in ihre interessanten Lebensräume mit allen spannenden Abwechslungen umziehen, üben wir mit ihnen für das sogenannte medizinische Training. Hier arbeiten wir mit positiver Verstärkung. Der Tierpfleger ruft zum Beispiel nach Siddhi. Sobald dieser darauf reagiert – am Anfang zum Beispiel einfach zum Tierpfleger hinschaut, mit mehr Übung dann auch hinläuft –, hört er ein Signalgeräusch und bekommt darauf ein feines Leckerli. So lernt Siddhi rasch, dass es sich für ihn lohnt, zu den Tierpflegenden hinzugehen, wenn sie seinen Namen rufen.

Mit diesem Training stellen wir sicher, dass Siddhi auch später auf seiner Anlage Lust hat, zu den Tierpflegerinnen und Tierpflegern zu gehen, um sich beobachten und untersuchen zu lassen. So können wir kleinere medizinische Untersuchungen, wie beispielsweise die Gewichtskontrolle, ohne Stress durchführen.

Nach einigen Wochen und erfolgreichem Training ist es dann so weit: Siddhi darf die Quarantäne verlassen und zieht in unseren Himalaya-Bereich des Zoos. Dort wartet schon das deutlich ältere Rote-Panda-Weibchen Shang auf ihn. Ob sie schon zu alt für Nachwuchs ist, wissen wir derzeit noch nicht. Aber Liebe kennt ja bekanntlich keine (Alters-)Grenzen.

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