Zoologisch – Direktor Severin Dressen erklärt
118 für Adebar

Severin Dressen (32) ist Direktor des Zoos Zürich und kennt die wilden Geheimnisse seiner Bewohner.
Publiziert: 15.08.2021 um 11:16 Uhr
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Severin DressenDirektor des Zoo Zürich

«Wo brennt es denn?», fragt mich eine junge Zoobesucherin, als der grosse Wagen von Schutz & Rettung beim Zoo-Haupteingang an uns vorbeifährt. «Nirgends», kann ich sie beruhigen – und so kann sie ganz ohne schlechtes Gewissen mit ihren Klassenkameraden dem Feuerwehrauto hinterherlaufen. Denn selbst im Zoo mit seinen spannenden Tieren und Spielplätzen ist ein Feuerwehreinsatz nicht zu toppen.

Schutz & Rettung kommt im Frühling alle Jahre zu uns – zum Glück nicht wegen Bränden, sondern für eine Zusammenarbeit im Geiste des Artenschutzes. Es geht um die Weissstörche, genauer gesagt um die Storchenkinder. Und von denen gibt es einige bei uns im Zoo – und zum Glück auch wieder in der Schweiz. Doch das war nicht immer so.

Während um 1900 noch rund 140 Brutpaare in der Schweiz lebten, war der Storch ab 1950 in der Schweiz ausgestorben. Dem Vogel fehlten vor allem geeignete Lebensräume. Storchenfreunde erkannten dieses Problem schon früh. So gründete der «Storchenvater» Max Bloesch bereits 1948 die Storchensiedlung Altreu. Sein Ziel war es, dass sich der Storch wieder in der Schweiz ansiedelte. Ab den 1970er-Jahren gab es die ersten Erfolge. Und ab den 1980er-Jahren half auch der Zoo Zürich dabei mit, denn seitdem sind auch bei uns im Zoo die Störche wildlebend.

Jedes Jahr werden die Storchenbabys beringt, ehe sie in die weite Welt davonfliegen.
Foto: Zoo Zürich
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Inzwischen sind es um die 25 Brutpaare. Das sind rund 7 Prozent aller in der Schweiz brütenden Störche. Sie geniessen das Leben bei uns, die guten Nistmöglichkeiten und den üppig gedeckten Tisch. Das zeigt sich auch beim Nachwuchs: Allein in den letzten zehn Jahren sind im Zoo über 260 Störche geschlüpft. Das Rekordjahr war 2018 mit 44 jungen Störchen. Heuer war der Frühling recht nass und kalt – kein gutes Storchenwetter. Deshalb zählten wir dieses Jahr nur 25 Jungstörche.

Doch wofür braucht es nun die Helferinnen und Helfer von Schutz & Rettung? Die Antwort liegt in den Nestern. Diese sind weit weg vom Boden auf Bäumen und Dächern gebaut. Ohne eine lange Leiter kämen wir nicht an sie heran. Und die längste Leiter hat nun mal die Feuerwehr. So kann unser Tierpfleger zu jedem Nest gelangen. Sobald sich die Leiter dem Nest nähert, fliegen die Storcheneltern weg. Der Tierpfleger kann dann die Storchenbabys zählen und ihnen einen Ring ans Bein machen. Sind Tierpfleger und Leiter wieder fort, kehren die Eltern zurück.

Die Ringe machen es möglich, die Störche besser zu verstehen. Denn mit dem Ring kann jeder Storch eindeutig erkannt werden – egal, wo er auch Jahre später gefunden wird. Denn die Reise der Störche ist lang. Früher zogen sie im Winter bis nach Afrika – eine anstrengende und gefährliche Reise. Heute kürzen immer mehr Störche ihren Flug ab und verbringen den Winter in Spanien. Die offenen Mülldeponien im Süden des Landes sind für die Störche sehr einladend, weil sie viel Futter bieten.

Im Frühling freuen wir uns im Zoo immer wieder über die Rückkehr der Störche und fragen uns, welche Nester sich die Vögel dieses Jahr wohl aussuchen. Zoo-intern laufen schon Wetten, wann das erste Storchenpaar auf einem Baobab-Baum in der Lewa-Savanne nistet. Das wäre ein tolles Bild – und eine besondere Herausforderung für die Autodrehleiter von Schutz & Rettung.

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