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Feminismus ist ein bewegter Ozean

Die berühmte Schriftstellerin Isabel Allende schreibt persönlich und pointiert über Gleichberechtigung: «Und worin besteht nun mein Feminismus? Dass es nicht darauf ankommt, was wir zwischen den Beinen, sondern was wir zwischen den Ohren haben.»
Publiziert: 14.02.2021 um 09:47 Uhr
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Aktualisiert: 05.03.2021 um 15:54 Uhr
ausgelesen von Dr. phil. Daniel Arnet

Perlen, Parfüms und Pralinen: Am Valentinstag beschenken Männer ihre Frauen mit materiellen Werten, um der Perle des Haushalts, der Duftwolke im Bett und dem Zuckerstück an ihrer Seite Wertschätzung zu zeigen. Ist dies das, was sie wollen? Nein, sagt die chilenisch-US-amerikanische Bestsellerautorin Isabel Allende (78, «Das Geisterhaus») und plädiert in ihrem eben erschienenen biografischen Pamphlet für wirtschaftliche Unabhängigkeit, Kontrolle über Körper und Respekt für Frauen.

«Der Mann versorgt, schützt und befiehlt, die Frau dient, umsorgt und gehorcht», zitiert Allende ihren Grossvater. «Daher war in seinen Augen eine Heirat für Männer zu empfehlen, für Frauen jedoch ein schlechtes Geschäft.» Er war seiner Zeit voraus, denn inzwischen ist nachgewiesen, dass die Lebenszufriedenheit in zwei Bevölkerungsgruppen am höchsten ist: bei verheirateten Männern und bei alleinstehenden Frauen.

Der Grossvater riet auch seiner Tochter, Isabel Allendes Mutter, von einer Heirat ab – ohne Erfolg. Prompt lässt sie ihr Ehemann in Peru mit zwei Kleinkindern und einem Säugling sitzen. Die Alleinerziehende kehrt zu ihren Eltern nach Chile zurück, sodass Isabel und ihre beiden Geschwister die ersten Jahre ihrer Kindheit bei den Grosseltern in Santiago de Chile verbringen. «Meine Auflehnung gegen die Herrschaft der Männer nahm ihren Ausgang vermutlich in der Situation meiner Mutter», schreibt Allende.

«Das Patriarchat ist aus Stein, der Feminismus dagegen ein bewegter Ozean, mächtig, tief und so unendlich vielschichtig wie das Leben selbst», so Allende. Doch Feminismus sei ohne wirtschaftliche Unabhängigkeit nicht zu haben. «Das konnte ich in meiner Kindheit deutlich an der Lage meiner Mutter sehen», schreibt sie. «Wir Frauen müssen über eigenes Einkommen verfügen und es selbst verwalten.» Dafür brauche es Bildung, gezielte Schulungen und ein entsprechendes berufliches und familiäres Umfeld. Doch statt Liebe gibt es Hiebe.

«Woher kommt diese explosive Mischung aus Begehren und Hass auf die Frauen?», fragt sich Allende. «Wieso werden Aggression und Hetze nicht als Verletzung von Bürger- oder Menschenrechten angesehen? Wieso wird darüber geschwiegen? Wieso wird der Gewalt gegen Frauen nicht der Krieg erklärt, wo doch gegen Drogen Krieg geführt wird, gegen Terrorismus oder Kriminalität?» Die Antwort liege auf der Hand: «Gewalt und Angst sind Kontrollinstrumente.»

Und die Aggressoren seien keine Ausnahmen, nicht geisteskrank, sondern Väter, Brüder, Partner, Ehegatten, Durchschnittsmänner. «Genug der Beschönigungen. Genug der Teillösungen», schreibt Allende und fordert: «Tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen sind nötig, und es ist an uns, an den Frauen, sie durchzusetzen. Vergessen Sie nicht: Uns wird nichts geschenkt, wir müssen es erstreiten.» Denn Gleichberechtigung ist kein Valentinsgeschenk.


Isabel Allende, «Was wir Frauen wollen», Suhrkamp

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