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Der Zauderlehrling

«Die ich rief, die Geister / werd ich nun nicht los.» Wie Goethes Zauberlehrling wirkt Facebook-Gründer Mark Zuckerberg zuweilen. Doch wenn es darum geht, den Spuk zu beenden, zaudert er.
Publiziert: 27.07.2021 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 24.07.2021 um 15:16 Uhr
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Daniel ArnetRedaktor Gesellschaft / Magazin

Ich bin nicht bei Facebook, und ich rauche nicht. Was das miteinander zu tun habe, fragen Sie sich? Nun, Marc Benioff (56), CEO des Software-Unternehmens Salesforces, erklärte Facebook einmal für so gefährlich wie Zigaretten: «Sie machen süchtig, und sie sind nicht gut für einen – es gibt zu viele Parallelen.» Nicht aber bei der Zahl der Süchtigen weltweit: Während es 1,7 Milliarden Raucherinnen und Raucher gibt, nutzen 2,8 Milliarden Menschen Facebook. Damit ist die 2004 gegründete US-Firma das mit Abstand grösste soziale Netzwerk.

«In Facebooks gesamter siebzehnjähriger Geschichte gingen die enormen Gewinne des sozialen Netzwerks immer wieder auf Kosten der Privatsphäre seiner Nutzer, der Sicherheit und der Integrität demokratischer Systeme.» Das schreiben die beiden «New York Times»-Journalistinnen Sheera Frenkel und Cecilia Kang in ihrem eben erschienenen Buch «Inside Facebook – die hässliche Wahrheit». Die Fachfrauen verarbeiten im Firmen-Krimi tausend Stunden Interviews mit über 400 Personen und stützen ihre Erkenntnisse auf interne E-Mails und Memos von höchster Ebene.

Als Mark Zuckerberg (37) zusammen mit anderen Studenten in Harvard ein Kontaktnetzwerk fürs Internet aufbaut, kann er den schnellen Erfolg selber kaum glauben. Einem Freund schreibt er: «Die Leute haben es eingegeben – ich weiss nicht, warum – sie ‹vertrauen mir› – Vollidioten.» Da das soziale Medium gratis sein soll, macht er es zu einer stetig wachsenden Werbetrommel. Dafür holt er 2008 Sheryl Sandberg (51) von Google. Zuckerberg und Sandberg – das sind zwei grundverschiedene Spitzen: Auf der einen Seite der Kreative, der bis weit nach Mitternacht programmiert, auf der anderen Seite die Operative, die um 21.30 Uhr ins Bett geht und alles organisiert.

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg (37).
Foto: AFP

Die gigantische Geldmaschine gerät durch die schiere Grösse jedoch immer wieder in Schieflage: 2016 durch die Angriffe russischer Hacker im Wahlkampf um die US-Präsidentschaft, 2018 wegen des Datenklaus durch Cambridge Analytica. «Ironischerweise nutzen die Hacker Facebook genau so, wie es gedacht war: Sie vernetzten sich mit Menschen überall auf der Welt und chatteten mit ihnen über gemeinsame Interessen, gründeten Facebook-Gruppen und nutzten sie, um ihre Ideen zu verbreiten», schreiben Frenkel und Kang. «Facebook machte es ihnen jedenfalls leicht, ihr Zielpublikum zu erreichen.»

Die beiden Journalistinnen belegen minutiös, dass die Skandale im Unternehmen früh bekannt sind, allerdings nicht zur obersten Führungsebene gelangen. Und sobald Zuckerberg davon weiss, hält er an der Meinungsäusserungsfreiheit fest. Sekundiert von Sandberg, die sagt: «Wenn etwas Falschinformation darstellt, also einfach nicht stimmt, dann löschen wir das nicht, weil wir glauben, freie Meinungsäusserung verlangt, dass falsche Informationen einzig und allein durch richtige Informationen bekämpft werden dürfen.» Für Frenkel und Kang ist deshalb klar: «Selbst wenn das Unternehmen in den kommenden Jahren einen radikalen Wandel durchläuft, wird dieser Wandel schwerlich von innen heraus kommen.»

Sheera Frenkel/Cecilia Kang, «Inside Facebook – die hässliche Wahrheit», S. Fischer

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