Zur Sache! Neue Non-Fiction-Bücher
Der Wohlleben der Schweiz

«The trees are in their autumn beauty, the woodland paths are dry», die Bäume sind in ihrer herbstlichen Schönheit, die Waldwege trocken – so dichtete einst der Ire William Butler Yeats. Diese Verse lassen sich dank diesem Wanderbuch perfekt in der Natur erkunden.
Publiziert: 19.10.2021 um 08:48 Uhr
ausgelesen von Dr. phil. Daniel Arnet

Sie sind knorrig und doch nicht verknöchert, haben Wurzeln und doch keinen Stammbaum, tragen Kronen und sind doch keine Könige: Birken, Fichten, Linden und Co. sind sehr bescheidene Lebewesen. Stoisch stehen sie im Sturm, lassen sich von Hunden bepinkeln und von der Axt umhauen. Rund 535 Millionen stehen alleine im Schweizer Forst, so viele, dass man vor lauter Wald die einzelnen Bäume kaum mehr sieht.

Herausragende Bäume gibt es allerdings im ganzen Land, sei es, weil sie besonders aussehen, sei es, weil sie besonders alt sind. Und der Aargauer Daniel Roth (70) kennt sehr viele, denn er ist für die Schweiz das, was Peter Wohlleben (57) für Deutschland ist: ein Baumflüsterer. «In meiner beruflichen Tätigkeit als Werklehrer bin ich mit Holz, mit Bäumen in Berührung gekommen», schreibt Roth in seinem kürzlich erschienenen Buch. «Sie haben mich nicht mehr losgelassen.»

Bäume und Menschen seien schon immer in einer symbiotischen Beziehung gewesen, so Roth. «Bäume boten uns Schutz und versorgen uns durch ihre vielen essbaren Früchte, Blätter, Blüten und Wurzeln mit Nahrung.» Ihr Holz habe uns als Material für den Bau von Häusern, Brücken und Schiffen gedient. «Sie lieferten auch den Brennstoff für das Feuer, den Motor der menschlichen Zivilisation», schreibt Roth.

Die Linde von Linn AG.
Foto: Manuel Geisser

«Baumwanderungen» heisst der Buchtitel und meint nicht etwa erdgeschichtliche Eroberungszüge der stämmigen und standhaften grünen Riesen seit der letzten Eiszeit. Vielmehr geht es um praxisnahe und präzise Schilderungen von «30 Routen zu den eindrücklichsten Bäumen der Schweiz». Und Roth weiss, wovon er schreibt, denn er wandert seit Jahrzehnten zu Bäumen, beging jede Route mindestens ein Mal und betreibt seit Jahren die Website baumwanderungen.ch.

Die Marchlinde im schaffhausischen Buchberg ist ebenso ein Wanderziel wie die Linde von Linn AG auf dem Jurahöhenweg. «Die Linde von Linn ist mit einer Höhe von 20 Metern, einem Umfang von elf Metern und einem Alter von 500 bis 800 Jahren eine der mächtigsten Linden der Schweiz und als Ausflugs- und Schulreiseziel wohl auch die bekannteste», schreibt Roth. Baumfotos und ein Kartenausschnitt mit eingezeichnetem Wanderweg ergänzen die jeweils sechsseitigen Beiträge.

Mehrheitlich beschreibt Roth aber nicht ein einzelnes Prachtexemplar, sondern Baumgruppen und Wälder – so etwa den Kastanienhain im Murgtal SG, den uralten Lärchenwald von Balavaux/Les Prarions VS oder die Grenzhecke im Napfgebiet, die sogenannte Hagstelli. Roth: «Die Hagstelli führt wie die Chinesische Mauer hinauf über die Hügel.» Schon von weit her seien die Bäume, «vor allem Buchen, aber auch Ebereschen, Ahorne und Fichten», zu sehen – gerade jetzt im Herbst ein farbenprächtiges Spektakel.

Daniel Roth, «Baumwanderungen – 30 Routen zu den eindrücklichsten Bäumen der Schweiz», Haupt

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