Zoologisch – Direktor Severin Dressen erklärt
Wenn ein Elefant stirbt

Severin Dressen (34) ist Direktor des Zoos Zürich und kennt die wilden Geheimnisse seiner Bewohner.
Publiziert: 02.07.2022 um 15:42 Uhr
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Aktualisiert: 06.07.2022 um 10:16 Uhr
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Severin DressenDirektor des Zoo Zürich

Tagelang hat das Elefanten-Team im Hintergrund des Kaeng-Krachan-Elefantenparks um das Leben des zweijährigen Elefantenbullen Umesh gekämpft. Jeden Tag standen mehrere strenge und zeitintensive Behandlungen an. Eine Kuratorin, Tierärztinnen und Tierpfleger haben sich bei der Arbeit abgewechselt und ihr Bestes gegeben. Doch ihr grosser Einsatz, verbunden mit viel Hoffnung, wurde nicht belohnt. Die medizinischen Interventionen halfen nicht. Am 28. Juni ist Umesh an den Folgen des Elefantenherpesvirus gestorben.

Natürlich sind dies keine schönen Momente. Gerade für ein Team, das tagtäglich eng mit Tieren zusammenarbeitet. Ganz besonders bei Tieren wie Elefanten, zu denen man individuelle Bindungen aufbauen kann. Aber bei aller Emotionalität ist allen Mitarbeitenden im Zoo auch immer bewusst, dass in der Natur das Sterben genauso dazugehört wie die Geburt. Auch wenn wir dies in unserer menschlichen Gesellschaft manchmal auszublenden versuchen. Tod und Krankheit sind Teil des Lebens. Auch bei Tieren. Auch im Zoo.

Das Interesse und die Anteilnahme in den letzten Tagen nach dem Tod von Umesh waren riesig. Unsere E-Mail-Postfächer quollen über, und auf den sozialen Medien wurde im Sekundentakt digital Abschied genommen. Wir wurden gar gefragt, ob es für Umesh eine Art Gedenkstein oder eine Grabstätte geben würde. Nein, so etwas wird es nicht geben. Das ist nicht mit unserer Grundhaltung zu vereinbaren: Wir begegnen allen unseren Tieren mit dem gleichen Respekt und derselben Wertschätzung. Kein Tier wird bei uns höher gewichtet. Auch wenn es vermeintlich schöner, beliebter, wertvoller, einzigartiger, berühmter oder lustiger war. Oder eben: ein kleines Elefäntli.

Trotz Behandlung konnte der zweijährige Elefantenbulle Umesh nicht vor den tödlichen Folgen des Herpesvirus gerettet werden.
Foto: Enzo Franchini

Eine Art «Trauerritual» hat es jedoch trotzdem gegeben. Allerdings unter den Elefanten selbst: Damit die anderen Tiere realisieren, dass Umesh nicht mehr lebt, wurde er die ganze Nacht bei seiner Familie gelassen. Die Tiere konnten so ihr Herdenmitglied auf ihre Art verabschieden.

Dass Umesh nur zwei Jahre alt wurde, ist traurig. Sein Tod steht für viele junge Asiatische Elefanten, die an der Folgeerkrankung des Elefantenherpesvirus sterben. In Zoos, aber auch in frei lebenden Populationen. Als Zoo haben wir neben dem Artenschutz, dem Naturschutz und der Bildung auch die Aufgabe, bei der Forschung im Tierbereich mitzuwirken. Aus diesem Grund wurde der Körper von Umesh nach seinem Tod genau untersucht. Tierärzte der Pathologie entnahmen Proben, um das Virus und die Krankheit besser zu verstehen – und um die Forschungsteams vielleicht mit entscheidenden Hinweisen zu beliefern, die in Zukunft zur Entwicklung eines Impfstoffs führen können, der andere junge Asiatische Elefanten retten könnte.

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