Thomay Meyer rät: Wie viel Kinder sind genug?
Ist Ihr Freund ein guter Vater?

Ein Freund (41) will nach dem dritten Kind unbedingt noch ein viertes. Darf ich ihm sagen, dass es egoistisch ist, mehr als zwei Kinder zu haben?
Publiziert: 06.06.2020 um 15:31 Uhr
Thomas Meyer

Wieso ziehen Sie die Grenze bei zwei Kindern? Genauso gut könnte man sagen, dass eines genügt – oder dass es verantwortungslos ist, überhaupt Kinder zu zeugen. In dieser Frage prallen die unterschiedlichsten Ansichten aufeinander, und solange kein konkreter Schaden vorliegt, ist es schwierig, eine davon als falsch zu bezeichnen.

Bei einer Beziehung, in der beide Partner nur noch leiden und keinen Respekt mehr voreinander haben, ist es offensichtlich, dass das Weitermachen idiotisch ist. Ihren Freund hingegen muss man, solange er seine Kinder nicht misshandelt oder vernachlässigt, wohl einfach machen lassen, auch wenn Sie ihn nicht verstehen. Zumal Kinder immer ein sensibles Thema sind – selbst im noch nicht einmal gezeugten Zustand: Mütter von Einzelkindern werden ständig gefragt, wann dieses denn ein Geschwisterchen bekäme. Geben sie zur Antwort, ein solches sei nicht geplant, werden sie schief angeschaut.

Letztlich ist Kinderkriegen und -haben eine Privatsache, die nur dann aufhört, privat zu sein, wenn der familiäre Verbund derart destruktiv ist, dass das Kindeswohl gefährdet ist. Die Frage ist daher weniger, wie viele Kinder Ihr Freund sinnvollerweise haben darf, sondern vielmehr, ob er generell ein guter, also liebevoller, geduldiger, unterstützender und präsenter Vater ist. Es gibt Leute, die hätten besser gar keine Kinder gehabt. Viele andere sind mit dem zweiten so überfordert, dass sie nur noch am Limit laufen und nur noch durch Geschrei kommunizieren. Und schliesslich gibt es Eltern, die auch von fünf Kindern nicht aus der Ruhe zu bringen sind. Halten Sie Ihren Freund also nur von der Reproduktion ab, wenn Sie überzeugt sind, dass er damit eine bereits problematische Situation verschlimmert. Nur dann ist es Ihre Pflicht, ihn zu kritisieren.

Schriftsteller Thomas Meyer.
Foto: Thomas Meier
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