Sie fragen, EPFL-Chef Martin Vetterli antwortet
Mit welchen Argumenten überzeugt man Impfskeptiker?

Alle zwei Wochen stellen sich die ETH-Präsidenten den Fragen der Leserinnen und Leser rund um die Wissenschaft. Heute ist Martin Vetterli, Präsident der EPFL in Lausanne und Professor für Informatik, dran. Er beantwortet drei Fragen zu Corona.
Publiziert: 05.03.2022 um 12:07 Uhr
Martin Vetterli

Das Coronavirus kann in einem Aerosol längere Zeit überleben. Was ist der Grundstoff im Aerosol, den das Virus braucht, verglichen zum Beispiel mit reinem Wasser oder Blut? Roland Vogt

Martin Vetterli:
Viren brauchen im Gegensatz zu Menschen, Pflanzen oder Tieren keine Grundstoffe, um zu überleben. Sie haben keinen eigenen Stoffwechsel und atmen auch nicht. Eigentlich sind Viren nicht viel mehr als ein Stück Erbgut, das von einer Hülle umschlossen ist. Zur Vermehrung brauchen sie einen Wirt. Einmal eingedrungen, zwingen sie die Wirtszelle, neue Viren zu produzieren. Finden sie keinen Wirt, verschwinden sie im Allgemeinen relativ schnell.

Coronaviren benutzen Aerosole nur als Transportmittel, um von einem Wirt zum nächsten zu gelangen. Das tun übrigens auch andere durch Luft übertragbare Viren – darunter die Erreger von Masern, Grippe oder Schnupfen. In der Regel docken sie sich an Aerosole im oberen Bereich der Atemwege einer Person an. Beim Sprechen, Lachen, Singen, Niesen oder Husten setzt die Person die Aerosole frei. Diese verteilen sich innerhalb kürzester Zeit im Raum, wo sie stundenlang verweilen können – bis sie von einer anderen Person aufgenommen werden.

Aerosole enthalten keine speziellen Inhaltsstoffe, die die Überlebenschance der Coronaviren erhöhen. Die Viren haben im Laufe der Evolution gelernt, wie sie am besten in den Schwebestoffen bestehen können. Für ein Atemwegsvirus ist das ein zentraler Überlebensfaktor. Es gibt aber verschiedene Umweltfaktoren, die die Überlebensdauer der Viren in den Aerosolen beeinflussen. Die wichtigsten sind Temperatur, Luftfeuchtigkeit und UV-Strahlung. Wärmere Temperaturen, eine erhöhte Luftfeuchtigkeit und Sonne scheinen den Coronaviren nicht zu behagen.

Ist die Wirkung herkömmlicher Impfstoffe ebenfalls so zeitabhängig wie die Wirkung der Impfstoffe gegen das Coronavirus? Katarina K.

Martin Vetterli: Wie stark und schnell der Schutz herkömmlicher Impfstoffe abnimmt, hängt von mehreren Faktoren ab: Erreger, Art des Impfstoffs, Anzahl verabreichter Dosen sowie Alter und Immunstatus des Empfängers. Lebendimpfstoffe, die noch geringe Mengen abgeschwächter Krankheitserreger enthalten, bewirken in der Regel einen sehr langen – meist lebenslangen – Impfschutz. Dazu gehören Impfungen gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken.

Der Schutz durch Totimpfstoffe, die abgetötete Krankheitserreger oder Bestandteile davon enthalten, hält meistens nur einige Jahre und braucht dann einen Booster. Das betrifft Impfungen gegen Diphtherie, Starrkrampf und Keuchhusten.

Welche guten Argumente würden Sie Impfskeptikern geben, damit diese sich endlich impfen lassen? Patricia S.

Martin Vetterli:
Lassen Sie Zahlen sprechen: Laut BAG-Daten war Ende Januar die Sterberate bei Covid-19-Patienten ohne Impfung rund neun Mal höher als bei jenen, die zwei Impfdosen erhalten hatten, und 31-mal höher als bei jenen mit drei Dosen. Diese Zahlen decken sich mit Daten aus anderen vergleichbaren Ländern: So zeigt eine im Januar veröffentlichte Analyse aus Österreich, dass eine Booster-Impfung zu 99 Prozent vor einem tödlichen Covid-Verlauf schützt.

Martin Vetterli über Aerosole, den Corona-Impfstoff und Argumente, die Impfskeptiker überzeugen könnten.
Foto: imago images/Marc Schüler


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