Kolumne «Meine Generation» über das Fliegen
Hilfe, ich fliege!

Kolumnistin Noa Dibbasey (22) wird mit Ferien in Antalya überrascht. Die Gefühle vermischen sich und ihre Flugscham wirft Fragen auf.
Publiziert: 30.06.2023 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 29.06.2023 um 21:12 Uhr
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Noa DibbaseyKolumnistin

Mein Freund ist unglaublich romantisch. Weil wir diesen Sommer nur vier Tage am Stück gemeinsam frei haben, hat er für diese Zeit Überraschungsferien für uns geplant. Herzig, oder? Eigentlich hätte ich bis zum Stichtag nicht wissen dürfen, wo es hingeht, aber es ist ihm bei einem gemeinsamen Znacht rausgerutscht.

«Wir fliegen nach Antalya», verkündete er mir mit verschmitztem Lächeln auf den Lippen und ein paar Gläsern Wein intus. Mir blieb die Spucke weg. Ich war aber nicht sicher, ob vor Freude oder vor Schock.

Es gibt in meinem Umfeld nämlich zwei Arten von Feriengängerinnen: Diejenigen, die in die Ferien fliegen und die, die es nicht tun. Mein Freund gehört in die erste Kategorie, ich in die zweite. Natürlich wissen wir beide, dass Fliegen an und für sich schädlich fürs Klima ist. Wir wissen auch beide, dass es keinen grossen Unterschied macht, wenn man sich ab und zu in einen Flieger setzt. Bei weiten Reisen für einen längeren Zeitraum kann sogar ich meine Flugscham wegstecken.

«Es haben alle recht! Die Wissenschaft belegt, dass Fliegen nicht gut ist. Doch die Zeit und das Geld sind zu knapp, um in den Zug zu hüpfen», schreibt Noa Dibbasey.
Foto: Pius Koller

Aber für vier Tage? Da gehen die Meinungen auseinander. «Ich hab halt das Internet nach dem günstigsten passenden Angebot abgesucht!» Punkt für ihn. Als Studenten mit minderbezahlten Nebenjöblis ist das eines der Hauptkriterien, was Ferien angeht. Und Antalya war billiger als Ferien im Tessin.

Mir aber geht es ums Prinzip. Wir müssen doch ein Zeichen setzen, in dem wir diese Kurztrip-Flüge nicht unterstützen. Klimaziele, Zukunft, Verantwortung?!

«Ihr hättet ja auch einfach auf Balkonien bleiben können», mahnen einige Freundinnen, als ich vom Überraschungstrip, der nun keiner mehr war, erzählte. Dass meine viertägigen Ferien in Antalya unter meinen Freundinnen für Gesprächsstoff sorgen würden, war klar. Andere erwiderten: «Na red dem jetzt doch nicht so ein schlechtes Gewissen ein – er hat es ja gut gemeint!»

Ich sitze dazwischen und werde zunehmend frustriert. Denn: Es haben alle recht! Die Wissenschaft belegt, dass Fliegen nicht gut ist. Doch die Zeit und das Geld sind zu knapp, um in den Zug zu hüpfen. Und die Angebote von Airlines halt einfach viel verlockender als das Sortiment der Deutschen Bahn – die sich wahrscheinlich so verspätet, dass man seinen Anschluss verpasst.

Das Frustrierendste aber ist, dass die Lösung fürs Problem schon lange auf dem Tisch liegt – bis dato aber von allen Verantwortlichen in die unterste Schublade mit der Aufschrift «nicht dringlich» verräumt wird. Subventionen und Innovationen für Bahn und Co. Das Klima, meine Flugscham und meine Beziehung würden es Ihnen danken.

Noa Dibbasey (22) liegt mit schlechtem Gewissen an der antalyschen Sonne. Für ihren Freund hat sie aber trotzdem nichts als Liebe im Gepäck.

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