Kolumne «Meine Generation» über Frauenstreiktag
Wir wollen R E S P E C T

Noa Dibbasey (22) wohnt in Bern und ist nach dem Schreiben des Texts gleich an die Demo gefahren. Dabei hat sie nicht vor Leid, sondern vor Freude an all den tollen Mitstreikenden fast ein paar Tränchen vergossen.
Publiziert: 16.06.2023 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 16.06.2023 um 09:44 Uhr
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Noa DibbaseyKolumnistin

Wisst ihr, was mich mega nervt? Dass ich gerade überall lese, dass die Frauenrechtsbewegung zutiefst gespalten sei. Pünktlich zum feministischen Streiktag am 14. Juni werden wir Frauen wieder einmal gegeneinander ausgespielt. Logisch sind wir uns nicht alle einig, hoffentlich auch. Wir machen schliesslich die Hälfte der Bevölkerung aus.

Ich verstehe, dass es Frauen gibt, die nicht, wie vom Streik-Komitee gefordert, für eine 35-Stunden-Woche einstehen. Oder die es nicht super finden, dass die Planung des feministischen Streiktags stark mit den Gewerkschaften verbandelt ist. Und trotzdem eint Frauen, unabhängig von ihren Meinungen, eine Erfahrung: Respektlosigkeit.

Respektlosigkeit hat jede Frau – und dafür lege ich meine Hand ins Feuer – schon erfahren. Dass wir auf diese keinen Bock mehr haben, ist die Basis des feministischen Streiktages. Dass Frauen nicht als (gleich)-wertig angesehen werden, zeigt sich individuell und hängt doch kollektiv damit zusammen, dass wir weiblich aussehen.

Zahlreiche Frauen haben sich am Mittwoch, 14. Juni, in Zürich zum feministischen Streiktag versammelt.
Foto: keystone-sda.ch

So lesen wir zum Beispiel alle die Kommentarspalten zum Fall Lindemann. Die Indizien bezüglich eines Machtmissbrauchs gegenüber junger Frauen sind erdrückend. Und doch lässt es sich eine Fraktion mutiger Männer nicht nehmen, dem Musiker wacker den Rücken zu decken – Stichwort Unschuldsvermutung – und schlimmer noch, die anklagenden Frauen in den Dreck zu ziehen.

Die Autorin Margarete Stokowski benannte es 2021 gut: Wenn schon laut nach Unschuldsvermutung geschrien wird, dann bitte auf beiden Seiten. Auch für die Frauen, die öffentlich von Übergriffen erzählen. Ansonsten wirft man ihnen ja auch ohne «richtige» Beweise üble Nachrede vor. Zusätzlich schüchtert man andere Opfer sexualisierter Gewalt ein, sich dagegen zu wehren. Ein Schlag ins Gesicht für alle, die tagtäglich solche erfahren könnten.

Apropos: Ein Drittel der deutschen Männer finden es halb so wild, wenn einem gegenüber der Frau mal die Hand ausrutscht. Systemrelevante Arbeit wie beispielsweise Kinderbetreuung oder Pflege, mehrheitlich von Frauen ausgeübt, ist weiterhin schlecht bezahlt, während sich Banker Bonis austeilen, als gäbe es kein Morgen und dabei gleichzeitig eine Bank an die Wand fahren. Wie kann man unter solchen Umständen das Gefühl haben, es sei nicht mehr nötig, als Frau für mehr Respekt zu kämpfen?

Mit Menschen auf die Strasse zu gehen, ist ein mächtiges Gefühl. Wir sind so verschieden und teilen doch dasselbe Leid. Und im Grunde wollen wir nicht viel. Aretha Franklin bat schon 1967 darum und so lange ich und alle anderen Frauen ihn nicht bekommen, finden Sie mich auf der Strasse dafür streiken: A little Respect.

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