Foto: Sabine Wunderlin

Editorial von SonntagsBlick-Chefredaktor Gieri Cavelty
Wir schulden den Kindern mehr als Dank!

Kindern kann Corona praktisch nichts anhaben. Doch sie sind es, die unter den Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie besonders zu leiden haben. Wir Erwachsene müssen uns darum erkenntlich zeigen – und dafür sorgen, dass die Schweiz ein besseres Land für Kinder wird.
Publiziert: 15.11.2020 um 00:10 Uhr
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Aktualisiert: 15.11.2020 um 03:05 Uhr

Im Grunde hatte Remo Largo genau zwei ­Botschaften. Die erste: Entspannt euch! Die zweite: Empört euch!

Entspannt euch, sagte er den Eltern. In seinen Er­ziehungsratgebern, die allesamt zu Bestsellern wurden, schrieb Remo ­Largo: Ihr bringt den Grashalm nicht zum Wachsen, wenn ihr ständig daran zieht. Ein Kind gedeiht dann am besten, wenn man es machen lässt und ihm die Möglichkeit gibt, sich mit vielen Menschen aus­zutauschen – allen voran mit anderen Kinder.

Empört euch, sagte Largo, wenn er in die Welt blickte. In eine Welt, die alles an­dere wichtiger nimmt als unsere Sprösslinge. In ­seinen letzten Büchern ging Largo mit Politik und Wirtschaft hart ins Gericht. So sah er in der heutigen ­Schule nichts weiter als eine Brutkammer für die Unternehmen. Ihr Zweck: das Heranzüchten fleis­siger, unselbständiger Arbeitsbienen.

Gieri Cavelty, Chefredaktor SonntagsBlick.

Diese Woche ist Remo ­Largo, für die meisten der Kinderarzt der Nation, im Alter von 76 Jahren ver­storben. Der weise alte Mann geht zu einer Zeit, in der sein Rat ganz be­sonders nötig wäre. Und er scheidet aus einer Gegenwart, die das genaue Gegenteil dessen ist, wofür er ­immer plädiert hat.

Corona ist eine Gefahr für die älteren Semester. Kindern kann das Virus, soweit bekannt, praktisch nichts anhaben. Doch sie sind es, die unter den Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie besonders zu leiden haben. Denn die Verbote, Gebote und Empfehlungen richten sich ­unmittelbar gegen die ­Natur der allermeisten von ihnen: Sozialleben runterfahren, zu Hause bleiben, Distanzregeln einhalten. Das Kindsein am besten gleich sein lassen.

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Aus epidemiologischer Sicht sind viele dieser Zumutungen wohl unumgänglich. Allerdings müssen sich die Erwachsenen zumindest erkenntlich zeigen – indem sie dafür sorgen, dass die Schweiz grundsätzlich ein besseres Land für unsere Kleinsten wird.

Dazu gehören – wie von Largo stets gefordert – ­Bildungseinrichtungen, wo sich die Mädchen und Buben besser entwickeln können. Erst recht geht es nicht an, dass hierzulande mehr und mehr Primarschulklassen aus Kostengründen mit bis zu 30 Schülern aufgefüllt werden.

Und nach wie vor fehlt eine Politik, die insbesondere die Mütter wirksam entlastet. Etwa durch Kindertagesstätten, die für ­Eltern kostenlos sind. Wo es überdies deutlich mehr und besser entlöhntes Personal gibt als heute.

Was die Nachbarn im Quartier in jedem Fall tun können: Kinder auf der Strasse nicht immer gleich anraunzen, sollte der Lärmpegel ein wenig erhöht sein.

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