Fix zur Gesellschaft
Mit 120 km/h auf der Autobahn und das Baby schreit

Unsere Autorin singt für ihr Baby, damit es sich beruhigt. Bis sie sich fragt, ob das Lied «Drei Chinesen mit dem Kontrabass» rassistisch ist.
Publiziert: 25.06.2022 um 14:41 Uhr
Alexandra Fitz

Das Baby schreit. Und ich fahre 120 km/h. Ein weinendes Kind ist per se schon Stress, aber auf der Autobahn? In dieser Affenhitze? Worst-Case-Szenario.

Wenn ich ehrlich bin, hatte ich es kommen sehen. Aber ich nahm es in Kauf. Es war klar, dass das Baby bald weinen würde, da Essenszeit war. Aber für mich war es eben auch Zeit, die einstündige Autofahrt nach Hause anzutreten. Ich habe also meine Bedürfnisse über die eines Babys gestellt. Bravo!

Zurück ins Auto. Ich kann nicht nach dem Handy greifen und Kinderlieder anstellen, also entscheide ich mich, selbst zu singen. Sie wissen: Singen ist nicht meine Stärke. Konkret: Es ist wohl meine grösste Schwäche. Aber mein Baby mag meine Stimme. Immer wenn ich singe, wird es ganz ruhig. Vielleicht ist es auch eine Art Schockstarre, gepaart mit dem Gedanken: Zur Hölle, wie kann man so unfassbar talentlos sein – hoffentlich habe ich das nicht von ihr geerbt!

Ich kann von den meisten Kinderliedern nur eine Strophe. Aber mir fällt eines ein, da reicht eine Strophe, denn man kann es mit blossem Vokaltausch in die Länge ziehen. Und so singe ich: «Drei Chinesen mit dem Kontrabass sassen auf der Strasse und erzählten sich was.» Ich singe also mal «Chenesen», mal «Kuntrubuss» und finde es recht amüsant – und das Baby offenbar auch. Während ich im Auto rumkrächze, frage ich mich plötzlich: Ist das Lied rassistisch? Die chinesischen Sprachlaute werden aufs Korn genommen. Und kommt da nicht noch die Polizei?

Beim Drübernachdenken muss ich wohl mit Singen aufgehört haben, denn das Baby macht sich wieder bemerkbar und ich muss doch rausfahren. Als ich den Kindersitz aus dem Auto hieve und Richtung Autobahnrestaurant schleppe, sage ich zum Baby: «Gleich bekommst du was.» Natürlich nützt das nichts. Als ich sage: «Magst du denn lieber hier auf der Raststätte bleiben?», schauen mich zwei Männer mit grossen Augen an. (@Kesb: Das ist ein Scherz!). Im Restaurant strecke ich der Angestellten das Fläschchen hin und sage: «Bitte ein bisschen heisses Wasser rein und kalt auffüllen, ist ein Notfall!» Als dann auch noch alles unten aus dem Schoppen rausläuft, gehe ich gleich selber hinter die Theke und hole einen Lumpen. Fazit: Die Bedürfnisse des Babys stehen an erster Stelle, und ich lerne jetzt Kinderlieder!

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