Tipps vom Aufräum-Coach
«Verlassen Sie sich auf Ihre Gefühle»

Martina Frischknecht (41) geht als Aufräum-Coach in die Wohnungen und hilft Menschen dabei, sich auch von lieb gewonnenen Sachen zu trennen. Das fällt vielen schwer.
Publiziert: 03.04.2018 um 17:57 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 01:10 Uhr
Larissa Johanna Jurczek

Unsere Welt besteht aus Konsum. Doch viele Menschen haben mittlerweile so viele Dinge gehortet, dass sie ihnen über den Kopf wachsen. Die Schränke sind voll, die Schubladen verstopft, sie finden nichts mehr. Hilflos stehen sie vor dem zugestopften Keller, den überquellenden Regalen in der Wohnung. Aufräum-Profi Martina Frischknecht verlangt 120 Franken pro Stunde plus Anfahrtsspesen und nimmt sich dafür zusammen mit den Kunden die Wohnung vor. Was muss raus? Was muss bleiben? Nach der Aktion fühlen sich alle erleichtert.

Professional Organizer Martina Frischknecht hilft, Struktur in den Aufräum-Prozess zu bringen.
Foto: zvg

 

Was macht ein Aufräum-Coach?
Martina Frischknecht: Ich helfe Menschen beim Entrümpeln. Es ist nicht so, dass die Leute nicht wissen, wie man aufräumt. Sie brauchen aber jemanden, der sie motiviert und mit ihnen den Anfang macht. Ich bringe Ordnung und Struktur in die Sache. Ist der Anfang geschafft, geht es meist wie von selbst.

Sentimentale Gründe hindern uns daran, uns von unseren Sachen zu trennen.
Foto: Thinkstock

Sind Ihre Kunden Minimalisten?
Selten, denn solche Menschen brauchen keine Motivation von aussen. Ich treffe eher auf Menschen, die sich nicht so im Griff haben und viel kaufen oder bestellen.

Extreme Minimalisten sind stolz darauf, nur 100 Dinge zu besitzen. Ist das sinnvoll?
Diesen «Superminimalismus» sehe ich als einen Trend, der vorbeigehen wird. Zudem stelle ich mir das schwierig vor; besonders, wenn man eine Familie hat. Aber den Grundgedanken «Weniger ist mehr» finde ich gut.

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Warum trennen sich Menschen so ungern von ihren Sachen?
Das hat oft sentimentale Gründe. Man hat Angst, dass man einen Teil seiner Identität verliert, wenn man Gegenstände weggibt. Viele Leute haben ein schlechtes Gewissen, Dinge, die sie geschenkt bekommen haben, die ihnen aber nicht gefallen, wegzuwerfen. Andere kaufen sich eine Sache, um etwas zu sein, was sie nicht sind. Zum Beispiel teure Sportschuhe. Da sie aber nicht gerne joggen, erinnern die Schuhe sie daran, dass sie nicht so sind, wie sie gerne wären, und sie fühlen sich schlecht. 

Darf man persönliche Sachen wie Fotoalben wegwerfen?
Wenn sich jemand davon trennen möchte, dann soll er das. Ich frage meine Kunden oft, welche fünf Sachen sie aus der brennenden Wohnung retten würden. Viele Leute kommen nicht einmal auf fünf Dinge.

Wie oft treffen Sie Menschen, die es bereuen, etwas weggeworfen zu haben?
Ich habe bisher kein solches Feedback erhalten. Oft passiert es, dass man im Keller etwas findet, von dem man nicht einmal mehr wusste, dass man es besitzt. Man wirft den Gegenstand weg, weil man ihn nie gebraucht hat. Ein paar Tage später fragen die Kinder, ob man nicht so etwas besitzen würde. Man sollte sich allerdings nicht zu sehr darüber aufregen. Hätte man nicht aufgeräumt, würde man sich gar nicht daran erinnern.

Ihre Tipps, damit einem das Wegwerfen weniger schwerfällt?
Stellen Sie sich folgende Fragen: Würde ich mir diesen Gegenstand noch einmal kaufen, wenn man ihn mir stiehlt? Kann ich ihn mir nachkaufen, falls ich ihn doch noch brauche? Wie fühle ich mich, wenn ich diesen Gegenstand ansehe? Man sollte sich auf seine Gefühle verlassen. Ich bin dafür, dass man etwas wegwirft, wenn es einem nicht glücklich macht oder man sich schlecht fühlt, sobald man es sieht.

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